Bei der heurigen Oscar-Preisverleihung war auch Österreich mit im Spiel. Zwar nicht mit eigenen Filmen, aber mit Filmmusik, die in Wien aufgenommen wurde.
Sowohl die Musik zum Netflix-Animationsfilm „Over the Moon“ als auch des feministischen Rape-Revenge-Thrillers „Promising Young Woman“ wurde im Tonstudio der Synchron Stage Vienna am Rosenhügel eingespielt.
Aber auch Oscarpreisträger und Filmmusikkomponist Hans Zimmer ist einer der großen Namen, der seine Melodien – etwa für den Blockbuster „Inferno“ oder die Netflix-Serie „The Crown“ – hier aufnehmen ließ. Und Brad Pitts Mondfahrt „Ad Astra“ verdankt seine Sphärenklänge dem Orchester der Synchron Stage Vienna.
Von außen sieht das gelbe Gebäude auf dem ehemaligen Filmgelände der Rosenhügelstudios eigentlich recht unscheinbar aus. Die ehemalige „Synchronhalle“ oder auch „Halle 6“ steht unter Denkmalschutz, ebenso wie das Gebäude gleich daneben, die „Halle 1“. Vor beiden Häusern breitet sich heute der Autoparkplatz einer Supermarktkette aus. Ansonsten ist von den legendären Filmateliers Rosenhügel, der ehemaligen „Filmstadt Wien“, nichts mehr zu sehen.
Dort, wo sich jetzt der Parkplatz befindet, standen früher zwischen Kastanienbäumen weitere Hallen der Filmstudios, nebst Baracken, wo Filmequipment gelagert wurde, erzählt Alexander Machat, ehe er eine Führung durch die denkmalgeschützte Aufnahmehalle gibt.
Alexander Machat ist der Kommunikationsmanager der Synchron Stage Vienna, einem Tonstudiokomplex, das sich seit 2016 in dem historischen Synchronstudio befindet. Betrieben wird die Synchron Stage Vienna von der Vienna Symphonic Library, einem führenden Entwickler orchestraler Sample-Libraries und professioneller Musiksoftware.
Auch wenn das Gebäude unscheinbar wirken mag, in seinem Inneren ist es ein Kronjuwel an exzellenter Akustik und bietet dank modernster Technik die klanglich perfekte Umsetzung von Orchesteraufnahmen. Den Denkmalschutz verdankt die Halle einer Kinoorgel, die als einziges Instrument weltweit noch fix in ein Filmmusikstudio integriert ist und bis hin zum Hufgetrappel eine große Bandbreite an Geräuschen produzieren konnte.
Propaganda-Töne
Die Synchronhalle selbst wurde Anfang der 1940er-Jahre gebaut, erzählt Machat: Sie sollte als das perfekte Aufnahmestudio für die Vertonung von nationalsozialistischen, tonmächtigen Propaganda-Filmen dienen.
Die Aufnahmehalle selbst umfasst 540 Quadratmeter und wurde zu dem Zweck ausgelegt, große Orchester mit bis zu 130 Musiker und Musikerinnen aufzunehmen: „Die meisten Studios waren Industriehallen, die umfunktioniert wurden. Diese Halle aber wurde ausschließlich für Tonaufnahmen gebaut, was sehr selten ist“, führt Machat aus: „Das gibt es in dieser Dimension kaum.“
Im Süden Wiens sollte ein Flughafen gebaut werden. Nazi-Propagandaminister Goebbels hatte den Plan, dass die Schauspieler und Schauspierlinnen in Berlin ihre Filme drehten, ins Flugzeug stiegen, nach Wien flogen und mit direkter Bahnverbindung in der Synchronhalle landeten, wo sie die Filme vertonen oder einsingen. konnten.
Letztendlich wurden relativ wenige Nazi-Propanda-Filme hier vertont, so Machat; und nach dem Ende der NS-Zeit fiel das Tonstudio in eine Art Tiefschlaf.
Davon kann heute beileibe keine Rede mehr sein.
Bereits in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren wurden dank der hervorragenden Akustik Orchestrales aufgenommen, darunter auch Schallplatten-Aufnahmen von Herbert von Karajan oder Yehudi Menuhin. Zunehmend aber wurde die Halle zweckentfremdet, als Probebühne oder Kostümfundus benutzt. Als 2013 unter Alexander Wrabetz die Entscheidung fiel, dass der ORF den Standort nicht nutzen würde, wurde die Möglichkeit eröffnet, die Halle zu kaufen.
Die Musiksoftware-Firma Vienna Symphonic Library übernahm daraufhin die Räumlichkeiten als Headquarter, weil sie auch die perfekten Voraussetzungen boten, um orchestrale Instrumente aufzunehmen und sie in eine Software zu verpacken, die von Komponisten im Studio verwendet werden kann. Mit großem Aufwand wurde die Halle in den Originalzustand zurückversetzt, von Grund auf renoviert und technisch auf den modernsten Stand gebracht.
Hörbar leise
Tatsächlich ist der Orchesterraum „hörbar“ leise: Alexander Machat schreitet durch den Raum voran und spricht in gleicher Lautstärke weiter. Auch aus 20 Meter Entfernung kann man ihn noch genau so gut hören – sogar mit Maske! –, als würde er direkt neben einem stehen.
Mit dem Synchron Stage Orchester steht außerdem ein eigenes Orchester zur Verfügung, das auf die Einspielung von Filmmusik geschult ist. Die Anforderungen sind enorm“, sagt Machat: „Die Musiker und Musikerinnen müssen mit Kopfhörer spielen, wo sie eine Klickspur hören, die den exakten Takt vorgibt. Das Notenmaterial ist vorher nicht bekannt, weil es oft erst 30 Minuten vor der Aufnahme kommt. Sie müssen das Stück vom Blatt lesen, und es muss beim ersten Mal sitzen. Das heißt, wir spielen hier permanent Uraufführungen.“
Synchron Stage Vienna
Die Synchron Stage Vienna ist ein Tonstudio in einem Studiogebäude, das speziell für die Aufnahme von orchestralen Instrumenten sowie von Filmmusik ausgelegt ist. Das Haus befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Rosenhügel-Filmstudios und wird von der Vienna Symphonic Library betrieben
Filme
Zu den Tonaufnahmen renommierter Filmprojekte gehören „Promising Young Woman“, „Over the Moon“ oder die
Musik von „The Crown“
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