Ulrich Seidl hätte vor dem Dreh seines neuen Films „Sparta“ seine minderjährigen Darsteller in Rumänien nicht umfassend über die Pädophilie-Thematik des Films informiert, hieß es. Zudem hätten sich die Kinder am Set unwohl gefühlt und wären nicht ausreichend von kompetenten Verantwortlichen betreut worden.
Ulrich Seidl wies, wie am Samstag berichtet, alle Vorwürfe entschieden zurück.
Der von Christine Dollhofer geleitete Filmfonds Wien, ein Finanzierungspartner des „Sparta“-Projekts, äußerte sich in einer Stellungnahme: „Die Einhaltung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ist dem Filmfonds Wien ein grundsätzliches Anliegen und darum auch Bestandteil der Herstellungsförderverträge. Bei der Mitwirkung von Kindern gilt diese Pflicht in besonderem Maße. Der Filmfonds Wien nimmt die erhobenen Vorwürfe sehr ernst und wird ihnen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nachgehen.“
Die Diskussion wird weitere Kreise ziehen, nachdem die Premieren von „Sparta“ kommende Woche auf dem Toronto International Film Festival und danach in San Sebastián geplant ist. Bisher sind keine Absagen bekannt.
Der baldige Beginn des Filmfestivals in Toronto markiert auch traditionellerweise die Halbzeit auf dem Filmfestival in Venedig. Dort ging die erste Woche mit einem blutigen Film zu Ende. Als der amerikanisch-französische „Dune“-Star Timothée Chalamet zur Begeisterung seiner kreischenden Fans in einem leuchtend roten, rückenfreien Anzug über den Roten Teppich schritt, erwies sich die Wahl der Farbe als richtungsweisend: In „Bones and All“, dem exzentrischen Wettbewerbsbeitrag des Italieners Luca Guadagnino, spielt Chalamet einen jungen Außenseiter mit perverser Vorliebe. Er ist Kannibale – und verspeist mit blutverschmiertem Gesicht rohes Menschenfleisch.
Timothée Chalamet verdankt Luca Guadagnino und dessen Drama „Call Me By Your Name“ seinen internationalen Durchbruch und eine Oscar-Nominierung. Außenseitertum und die Suche nach Identität gehört zu Guadagninos Lieblingsthema und wurde zuletzt in seiner exzellenten TV-Serie „We Are Who We Are“ variiert.
In „Bones and All“ erzählt Guagagnino eine zärtliche Coming-of-Age-Geschichte aus der Reagan-Ära mit den drastischen Effekten eines Horrorfilms. Ein Schülerin namens Maren besucht eine Freundin anlässlich einer Übernachtungsparty – und beißt ihr unvermutet den Finger ab. Danach begibt sie sich auf die Suche nach ihrer Mutter und tritt unterwegs auf einen anderen jungen Kannibalen, in den sie sich verliebt.
Guadagnino verhandelt den jugendlichen Selbstfindungstrip als buchstäblich fleischlichen Prozess – mit Mut zu extremen Konsequenzen. Zudem entfaltet der ohnehin schon charismatische Chamalet in den Bildern von Guadagnino eine geradezu magische Präsenz, die das radikale Roadmovie in starker Spannung zwischen Faszination und Verstörung hält.
Manchmal hat ein Film noch gar nicht richtig begonnen, und trotzdem erhält sein Regisseur Vorschussapplaus. Paul Schrader, zum Beispiel.
Legendär geworden durch sein Drehbuch zu Scorseses „Taxi Driver“, erhielt er in Venedig einen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk. Außerdem wurde sein neues Drama „Master Gardener“ mit Joel Edgerton als Gärtner außer Konkurrenz gezeigt.
Wie so oft – und auch in seinem letzten Film „The Card Counter“ – geht es bei Schrader um Schuld und deren Buße. Edgerton spielt stoisch einen Gärtner namens Narvel, der das weitläufige Anwesen einer reichen Frau (Sigourney Weaver) überwacht und ihre Gärten pflegt. Doch die Vergangenheit holt ihn ein: Sie ist in Form von Hakenkreuzen in seinen Rücken eingraviert, denn Narvel ist ein bekehrter Ex-Nazi.
Alte Schuld wird bei Schrader oft gesühnt, findet aber selten ein glückliches Ende. „Master Gardener“ aber schlägt einen versöhnlichen Ton an – und wurde am Ende mit viel Applaus belohnt.
Kommentare