Thomas Quasthoff in Wien: Vokaler Tieftöner zum Wippen und Nicken

Thomas Quasthoff war im Konzerthaus mit  Jazz-Standards, Pop-Songs und Brahms’ Wiegenlied „Guten Abend, gut Nacht“ als Zugabe
Der Jazz-Sänger mit Klassik-Vergangenheit feierte im Konzerthaus auf der „Half-Century Tour“ sein 50-jähriges Bühnenjubiläum

Von: Werner Rosenberger

26 Mal war Thomas Quasthoff seit 1993 live im Wiener Konzerthaus. Wo der Jazz-Sänger mit Klassik-Vergangenheit am Freitag auf „Half-Century Tour“ sein 50-jähriges Bühnenjubiläum feierte.

Zu Beginn behauptet er in einem Dylan-Goodie aus der Countrymusic-Zeit von 1967 bassbaritonal, was „His Bobness“ gern mit fisteldünner Stimme vorträgt: „I’ll be your baby tonight“. Als vokaler Tieftöner wird Quasthoff nur übertroffen von Gregory Porter. Nach Hoagy Carmichaels schmeichelfaserweicher Ballade „Stardust“ kommt Schwung und phänomenale Leichtigkeit aus der tiefen Kehle zum rhythmischen Fußwippen und Kopfnicken beim Publikum:

Das Quartett mit Simon Oslender (Klavier), Dieter Ilg (Bass) und Wolfgang Haffner (Schlagzeug), ergänzt um den schwedischen Star-Posaunisten Nils Landgren und das junge deutsche Ausnahmetalent am Sax, Jakob Manz, trifft exakt den belebenden Sound des vor allem durch Tina Turner bekannten Soul-Songs „I can’t stand the rain“, der den Schmerz einer verlorenen Liebe ausdrückt.

Ein „Kompliment an alle Frauen“ ist „A Woman just like you“. Seine seltsam zerdehnte, kühle Interpretation von „Imagine“ – John Lennons Traum von einer friedlichen Welt – verbindet Quasthoff mit dem expliziten Wunsch, die Menschen im Land hier wie dort mögen doch künftig so wählen, dass „wir uns als Künstler im Ausland nicht schämen müssen“.

Mit Beatbox-Effekten

Sichtlich Spaß macht ihm ein mit Humor gewürztes Solo, bei dem er sich eingroovt in der Art von Bobby McFerrin mit allen Finessen der Stimmbandakrobatik und perkussiven Einsprengseln.

Nach der Pause fehlt es teils an Stringenz, u. a. plätschert Percy Mayfields „Lost mind“ etwas kraftlos dahin. Stevie Wonders Song „If it’s magic“ dreht sich um die Liebe und darum, warum wir sie nicht auch so behandeln, wenn sie so wunderbar ist, wie alle sagen.

Für Gershwins „Summertime“ gilt: Man kennt den Song, aber nicht so. Der 64-Jährige nimmt sich alle Freiheiten der rhythmischen und harmonischen Gestaltung und setzt die Ausdrucksmöglichkeiten der Klangfarbenpalette ein. Nicht ganz überzeugend: Tom Waits’ „San diego serenade“ vor dem Kehraus mit „Have a little faith in me“.

Aber bei mir klingt noch lange Billy Prestons „You are so beautiful“ nach – nicht nur die Melodie, auch die Stimmung und Emotion.

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