Macht uns das Internet also krank?
Das ist eine Frage, mit deren Beantwortung man ein paar Regalmeter Bücher füllen könnte, mit noch ein paar freien Regalmetern zusätzlich für all das, was wir noch nicht wissen. Ein bisschen was davon wird aber in „Trotzdem“ jedenfalls zumindest angestupst werden.
Was wird uns die Künstliche Intelligenz bringen?
Was genau Künstliche Intelligenz in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit der Welt, der Gesellschaft, der Wirtschaft und jedem Einzelnen machen wird, ist komplett unabsehbar. Ich wage aber die Vorhersage, dass es keine Komfortreise in eine strahlende Zukunft sein wird.
Die Kommunikation via Smartphone kann, wie Sie vielleicht selbst beobachten konnten, zu Missverständnissen führen, da das Gegenüber, die Mimik, die direkte Reaktion fehlen. Da helfen auch keine Emojis. Und trotzdem kommunizieren wir mehrheitlich so. Warum?
Auf die Gefahr hin, wie ein pensionierter Gymnasialprofessor für Deutsch zu klingen: Emojis nehmen einem die Mühe ab, zu formulieren, was man sagen möchte. Und damit auch die Mühe, sich vorher überlegen zu müssen, was genau man sagen möchte. Klar kann man ein Trauriges-Gesicht-Emoji anhängen, wenn man was absagen muss oder ein Lachtränen-Emoji, wenn man sich als Troll outen möchte. Aber viel komplexere Mitteilungen kann man so nicht machen. Und Ironie im Internet ist ja überhaupt ein eigenes, trauriges Kapitel.
Haben Sie sich aus den Social-Media-Blasen auch Inspiration zum neuen Programm geholt?
Ich habe im Vorfeld des Programms mehr Zeit in diesem Umfeld verbracht als sonst – und das hat nicht gutgetan. Sogar, wenn man das alles nur aus Interesse und mit Distanz verfolgt, beginnen der Umgangston und die absurden Verrücktheiten schleichend in einen reinzukriechen.
Viele Menschen informieren sich nur noch auf Tiktok und Instagram. Der Algorithmus liefert Ihnen dann das, was Sie interessiert, gut finden. Das ist per se nichts Schlechtes. Was ist das Problem?
Keinen Widerspruch mehr aushalten zu müssen, jederzeit auf Knopfdruck das eigene Weltbild bestätigt bekommen zu können, ist natürlich attraktiv, vor allem für unsichere Menschen. Aber halt um den Preis, weite Teile des Urteilsvermögens einzubüßen beziehungsweise überhaupt zu verstehen, dass es sehr komplexe Fragen gibt, die niemand aus dem Stand beantworten kann. Man lebt irgendwann in einer Schwarz-weiß-Freund-Feind-Welt. Es ist ja auch kein Zufall, dass Parteien, die auf grobe Vereinfachung und negative Emotionen setzen, enorm erfolgreich beim Errichten von geschlossenen Parallelwelten im Internet sind.
Die Grundstimmung in der Gesellschaft ändert sich alle paar Jahre. Was hat sich seit Ihrem letzten Soloprogramm „Zeitgenosse aus Leidenschaft“, das im Jahr 2022 Premiere hatte, geändert?
Ich fürchte, dass sich eine gewisse resignierte Erschöpfung ausbreitet. Und dieses Gefühl möchte ich, auch wenn im Programm unschöne Entwicklungen erörtert werden, auf keinen Fall verstärken. Es braucht – trotzdem – wache, humorbegabte Menschen, die etwas verbessern wollen.
Sie haben in einem Interview gesagt, dass ein Kabarettabend kein vertonter Leitartikel sein sollte. Was soll er stattdessen sein?
Ein Kabarettabend ohne Pointen wäre eine Themenverfehlung. Es ist schon ein Unterhaltungsformat. Aber man kann ja auch relevante Themen mit hoher Pointendichte behandeln. Und mir ist auch wichtig, dass so ein Abend nicht zufällig auf einer Bühne stattfindet, also auch Theater und Emotion ist.
Viele Künstler haben im Vorfeld der Nationalratswahl zum Boykott der FPÖ aufgerufen. Haben Sie sich beteiligt? Und wie beurteilen Sie diese Initiative? Überschätzen sich da die Künstler ein bisschen?
Ich habe mich diesmal nicht aktiv angeschlossen, weil ich befürchte, dass diese Form der Intervention mittlerweile zu einem Stück Folklore geworden ist, etwas, das man mit einem „Ja, eh“ zur Kenntnis nimmt. Ich bin aber ebenfalls fest überzeugt davon, dass eine Regierung, die von der inzwischen komplett radikalisierten FPÖ geprägt wird, die mit Riesenabstand schlechteste aller Möglichkeiten wäre, vor allem perspektivisch. Der Wunsch, Österreich bleibend in eine „illiberale Demokratie“ à la Ungarn umzubauen, wird ja dort mittlerweile ohne Genierer artikuliert. Und zu glauben, dass eine Regierungsbeteiligung nicht dazu genutzt würde, das zumindest mit aller Kraft zu versuchen, ist naiv.
Was sind die Konsequenzen, die Sie als Kabarettist ziehen können, wenn am Ende doch die FPÖ Österreich regiert?
Weiterhin so gut, gescheit und witzig, wie man kann, kommentieren, was ist. Mehr Macht hat man nicht. Man könnte natürlich zynisch sagen, dass so ein politisches Jahrhunderthochwasser für Kabarettisten eine sprudelnde Themenquelle wäre. Aber man ist halt auch Staatsbürger.
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