Biotechnologie
Feuerstein ist ein Tüftler, der sich durchaus in der Tradition frühneuzeitlicher Alchemisten oder „verrückter Professoren“ der Moderne zu bewegen scheint. Zugleich ist er in neuesten Entwicklungen der Biotechnologie ebenso bewandert wie in der Kunstgeschichte, und beides fließt in seiner Arbeit ineinander. Immer wieder geht es dabei um Materialien und um Prozesse ihrer Entstehung – wobei auch der Marmor, aus dem Michelangelo den David meißelte, eine Geschichte hat.
Feuerstein aber trachtet danach, den Stoff der Bildhauerei neu zu denken. Im Zentrum seiner jüngsten Überlegungen steht nun der Kunststoff Polyhydroxybuttersäure oder kurz PHB, der mithilfe von Bakterien unter anderem aus Fettabfällen gebildet und wieder zersetzt werden kann. Seit Jahren steht der Künstler dazu im Austausch mit Forscherteams der Uni Innsbruck.
In der Wiener Ausstellung steht nun eine enorme Maschine, ein „Bioreaktor“ mit einem Gärtank, aus dem der neuartige Kunststoff „abgemolken“ werden kann. Was sich daraus machen lässt, ist in einer Reihe von Figuren zu sehen, die ihrerseits voller Anspielungen stecken – der „Schreitende Mann“ von Alberto Giacometti ist da nachgebildet, daneben ein enormer Walknochen – der Verweis auf „Moby Dick“ und die Extraktion von Walfett findet sich noch in einem weiteren Objekt. Zwei riesige Spinnenbeine erinnern wiederum an die Skulpturen der Künstlerin Louise Bourgeois – bei Feuerstein steht aber ein Bein in einem Tank, in dem das Material zersetzt und in den Bioreaktor zurückgeleitet wird.
Verdauungskunst
„Metabolica“ heißt das in mehrere Kapitel gegliederte Großprojekt, zu dem die Wiener Schau gehört – ein anderer Teil war zuletzt in Bozen zu sehen, eine weitere Installation ist derzeit Teil der Schau „Renaissance 3.0“ im ZKM Karlsruhe (bis 25. 2.).
Eine Wand voller Zeichnungen lässt in der Galerie Thoman die Spannweite des Projekts erahnen (und führt Feuerstein obendrein als virtuosen Zeichner vor). Micky Maus, Michelangelos David und Albrecht Dürers mit alchemistischen Anspielungen gefütterte „Melencolia“-Darstellung werden da in den Verdauungstrakt der Imagination geworfen und mit neuen Bedeutungen wieder ausgeschieden. Feuerstein legt dabei eine Wildheit und gleichzeitige Präzision des Denkens und Assoziierens an den Tag, der man fast wie im Rausch folgt. Und wenn inmitten der Wand der Petersdom in guter romantischer Tradition als Ruine dargestellt ist, dann ist es wohl das Heiligtum der Petro-Industrie, das da zerbröselt.
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