Pandemie-bedingt wurde das Festival im Jahr 2020 ersatzlos gestrichen, 2021 verlegte man das Programm in den Oktober, wo viele Besucher den Weg nach Krems aufgrund der strengen Corona-Maßnahmen aber nicht angetreten sind. „Dieses Jahr“, so Thomas Edlinger im KURIER-Interview, „sieht die Situation aber wieder besser aus“. Der Auftakt des Festivals sei bereits ausverkauft, weitere Tage werden noch vor Festivalbeginn ausverkauft sein.
„Das Programm ist heuer besonders dicht“, macht Edlinger Werbung in eigener Sache. Es gäbe neue Formate wie das Research-Lab „What is left to steal“, ein Auftragswerk von Aho Ssan, Arbeiten im öffentlichen Raum, eine mehrstündige Performance von Ariel Ashbel in der Dominikanerkirche und vieles mehr.
KURIER: Trotz der vorherrschenden Zuversicht steht das Festival vor einigen Herausforderungen. Zum Beispiel: Wie spricht man zukünftig ein jüngeres Publikum an, ohne das ältere zu vergraulen?
Thomas Edlinger: Wir bieten ein vielfältiges Angebot für ein neugieriges, weltoffenes Publikum. Im besten Fall gelingt es, Ältere und Jüngere für künstlerische Formen und Genres zu interessieren, die sie vielleicht vorher nicht so am Schirm hatten. Wenn zum Beispiel beim letzten Donaufestival der 75-jährige Trompeter Jac Berrocal mit einem fulminanten Konzert plötzlich 25-Jährige begeistert, dann ist das einer dieser Momente, in denen Jung und Alt keine Kategorien mehr sind, sondern es um Haltung und Ästhetik geht.
Wie schwer ist es, im globalen Festival-Wettbewerb zu bestehen – vor allem jetzt, wo Künstler wieder auf Tour gehen, Konzerte und Festivals wieder stattfinden?
Es gibt einige Festivals, mit denen wir in freundlichem Austausch stehen oder kooperieren, diesmal zum Beispiel mit dem Rewire-Festival in Den Haag oder Unsound in Krakau. Diese Kooperationen ermöglichen uns, inhaltlich spannende Projekte zu realisieren. Unser guter internationaler Ruf hat uns heuer zudem geholfen, wieder Publikumsmagneten wie ARCA, Jehnny Beth von den Savages oder Shabazz Palaces nach Krems zu holen. Besonders freut uns das eigens für das Donaufestival zusammengestellte Programm von Soap&Skin.
Diversität spielt eine große Rolle in der Kuratierung – von No Wave über japanische Minimal Music, Free Jazz, „Slave Punk“, Clubmusic bis hin zu Rap aus Uganda. Und das an einem Abend: Mutet man da dem Publikum nicht etwas zu viel zu?
Das sehe ich anders. Ich glaube, dass Vielfalt belebt und gerade die Verbindung von Musik, Performance und anderen Künsten in Krems einzigartig in Österreich ist. Die Reduktion auf bestimmte Genres verengt den Blick auf die Welt. Ich freue mich auch bei anderen Festivals immer wieder, wenn auf den ersten Blick auch mal nicht stimmig erscheinende Dinge passieren. Dadurch wird dann oft das große Ganze in seiner unhintergehbaren Heterogenität greifbar – und dann doch wieder stimmig, aber halt auf einer anderen Ebene. Und letztlich sucht unser Publikum Überraschungen, Vielfalt und Diversität.
Popmusik ist eine einzige Wiederholung. Es wird im großen Stil kopiert, abgeschrieben, gesampelt und gestohlen. „Stealing The Stolen“ lautet das heurige Festival-Motto. Wie spiegelt sich das im Programm wider?
Der Freigeist-Jazzer Don Cherry meinte sinngemäß 1968: Meine Musik ist nicht neu, sondern alt. Man kann meine Musik gar nicht stehlen, weil sie mir selbst nicht gehört. Das indonesische Duo Raja Kirik nimmt sich diese Idee zu Herzen und kreuzt lokale Trance-Elemente mit verschärftem Techno, der tunesische Prudocer AMMAR eignet sich indische Musik über den Umweg des legendären Drumcomputer TR 808 an, die Tuareg-Frauenband Les Filles de Illighadad infiltriert traditionelle Chorgesänge mit psychedelischer Rockmusik.
Hat der russische Angriffskrieg das Programm noch geändert: Wie kam es etwa zum Auftragswerk „The Kriegsspiel“?
Der Performancekünstler und Musiker Julian Warner beschäftigt sich schon länger mit identitätspolitischen Fehlstellungen und kulturellen Übersetzungsfehlern. Er wird in der Kunsthalle Krems erstmals eine Installation zeigen: „The Kriegsspiel“ geht von den Sandkastenszenarien militärischer Operationen aus, die durch den Krieg in der Ukraine eine unabsehbare Aktualität bekommen. Dieses Planspiel des Kriegs konfrontiert Julian Warner mit den Inanspruchnahmen der Kriegsrhetorik.
Donaufestival: Das Programm des an zwei Wochenenden (29. April bis 3. Mai und 6. bis 8. Mai) stattfindenden Donaufestivals in Krems ist enorm facettenreich und bietet neben Musik und Performance auch Bildende Kunst, Film und Diskurs.
Mit u. a. Jehnny Beth (bekannt von der Band Savages), Soap&Skin, Arca, Shabazz Palaces, The Bug & Dis Fig, William Basinski, Tirzah, Aho Ssan, The Caretaker, AMMAR 808, Ariel Efraim Ashbel, Julian Warner und Kids of the Diaspora. Tickets und Infos unter www.donaufestival.at
Ausgewählte Musik zum Programm:
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