Man fuhr mit dem Elektroboot, zuvor als Fähre auf der Donau im Einsatz, über den See, wurde mit einem Traktor zu einer Lichtung gebracht, immerzu begleitet von denkwürdigen oder mysteriösen Geschichten. Da hatte das Faktum, dass 1811 in Litschau – das tschechische Wort Licov bedeutet „Sauwald“ – der Komponist Kaspar Schrammel geboren worden war, keinen Platz. Es gibt ohnedies das ebenfalls von Zeno Stanek gegründete Schrammel.Klang.Festival.
In Zusammenarbeit mit zwei jungen Theatergruppen rund um Anton Widauer, Alina Schaller und Marita Landgrebe und Anna Anderluh erzählte Madreiter etwa über den verwegenen Kampf der Gräfin Kuefstein 1645 gegen die schwedischen Belagerer und die tragische Liebesgeschichte 1744 zwischen der trotzigen Wanda und dem Wildhüter Tobias.
Im Mittelpunkt aber steht die Zeit des Ersten Weltkriegs, als die Glocken eingeschmolzen werden sollten: Sieben Litschauer versenkten die größte bei Nacht und Nebel im See, um sie zu retten. Dabei kam die Schneiderin ums Leben, die Kirchenglocke wurde nie mehr gefunden. Gebannt lauschte man auch der Geschichte der Ende 1915 nach Litschau geflüchteten Polen, die mit wässrigen Eintöpfen abgespeist wurden. Einer von ihnen, Jakub, saß tagtäglich mit seinem Schachbrett am Ufer des zugefrorenen Sees. Irgendwann setzte sich das Mädchen Leni zu ihm. Er konnte kein Deutsch, sie kein Polnisch, aber sie spielten – und kommunizierten so.
Im Mai 1916 wurden die Geflüchteten nach Gmünd in ein Barackenlager verbracht. Die Zustände waren miserabel, Jakub starb. Leni erhielt später ein Paket, darin die Todesnachricht, das Schachbrett und ein handgeschriebener Zettel mit den Worten:
„Gratsch ná, Leni!“ Also: Spiel weiter!
Beim „Hin & weg“ geht es immer ums Spielen und Erzählen. Magdalena Oettl vom Schauspielhaus Salzburg z. B. begeisterte mit dem Monolog „All das Schöne“ von Duncan Macmillan: Eine Frau schildert beklemmend, aber auch leichtfüßig und amüsant ihren Umgang mit den Selbstmordversuchen der Mutter.
Die fünfte Ausgabe seines Festivals stellte Zeno Stanek, der für Konzept-Quargel und Dekonstruktion nichts viel übrig hat, unter das doppeldeutige Motto „Vorfahren“. Es ging daher vielfach um die Beschäftigung mit der Familie und den Ahnen.
Besonders zu rühren vermochten Doris Weiner und Naemi Latzer mit ihrer szenischen Lesung von Briefen, die Daisy Koeb, 1927 als Jüdin in Wien geboren, nach ihrer Pensionierung gefunden hat. Mehrere Familienmitglieder berichten in diesen vom unerträglichen Grauen der NS-Zeit. Daisy hatte Glück: Sie kam 1939 mit einem Kindertransport nach Schweden und 1946 nach Palästina.
Diese szenischen Lesungen von zumeist noch nicht aufgeführten Stücken sind – neben den vielen Gastspielen (etwa des Südböhmischen Theaters Budweis und des Puppentheaters MOŽ! aus Slowenien) – die Besonderheit des Festivals. Die 1977 in Krakau geborene, in Wien lebende Magdalena Marszałkowska, heuer Autorin in Residence, unterhielt nicht nur mit ihren Komödien „Hier liegt der Hund begraben“ (ein irrer Streit um einen Schrebergarten) und „Wir waren zuerst da“ (am Pool im All-inclusive-Ressort) blendend: Sie selbst las den heiteren Monolog einer Witwe, die zwar einsam, aber nun endlich die Herrscherin über die Fernbedienung ist („Fenster zur Welt“).
Für die allerbeste Umsetzung aber sorgte der Intendant selbst – mit „Loreley“ von Fink Kleidheu und Bachmann-Preisträger Tilman Rammstedt: Lily (Lara Euler-Rolle) und Lucas (Simon Löcker) begegnen auf ihrer Flucht allerlei sonderbaren Gestalten (Gisela Salcher, Georg Schubert). Ein absurder, irrwitziger Horrortrip!
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