Josefstadt: Für Föttinger haben Vorwürfe „in dieser Form nie stattgefunden“
Er habe aber „Veränderungen dieser Zeit ein bissel vernachlässigt“ und „fühle mich nicht entmachtet, weil ich ja nicht Macht ausübe“.
„I did it my way“, singt Herbert Föttinger am Ende der „Sonny Boys“-Produktion, die am Donnerstag am Theater in der Josefstadt Premiere hatte. Das Stück habe er „wahnsinnig gerne probiert, weil es zwei Menschen sind, die aus einer anderen Zeit entspringen“, sagt er am Tag danach. Um das Gefühl, „aus der Zeit gefallen zu sein“, geht es auch im Interview, in dem er auf Vorwürfe antwortet, die nun auch in einem Untersuchungsbericht festgehalten wurden.
Darin wird ihm als Regisseur Übergriffigkeit in unterschiedlichster Form vorgeworfen. Mediale Berichte, die sich auf ein Arbeitsrechtsgutachten beziehen, werden dabei deutlich konkreter als der nun als Zusammenfassung zugänglich gemachte, vom Stiftungsvorstand beauftragte Bericht. „Bei den Übergriffen, die man hier aus dem Kontext reißt, möchte ich sagen: Das hat in der Form nie stattgefunden“, sagt Föttinger im Gespräch mit der APA. „Ich würde nie einen Schauspieler beleidigen wollen. In einem Probenprozess kann schon mal passieren, dass sich ein Schauspieler beleidigt fühlt. Denn es ist schon ein mühsamer Weg zum Ziel, da kann jeder kleinste Satz Unglaubliches auslösen.“
Wehren gegen „anonyme Menge von 18 Leuten“
Föttinger zeigt sich beeindruckt von der „anonymen Menge von 18 Leuten“, aber verärgert darüber, dass er sich nicht adäquat wehren könne. „Ich stehe hier Anschuldigen gegenüber, wo ich felsenfest überzeugt bin, dass es so, wie es geschrieben ist, nicht war. Ich würde es sofort begrüßen, wenn man das vor Gericht klären würde.“
Offenbar beziehen sich viele Vorwürfe auf seine Inszenierung von Thomas Arzts „Leben und Sterben in Wien“, die er schon davor zu seiner letzten Inszenierung am Haus erklärt hatte. „Ich hab 25 Inszenierungen gemacht. Meine letzten zwei Jahre schenke ich den Regisseuren, die hier gearbeitet haben“, begründet er das und nennt es „meine dringlichste politische Arbeit, die ich gemacht habe in diesen 19 Jahren“. Es sei klar gewesen, dass das ein „sehr aufgeladener Abend“ werden und dies sich auch in heftigen Bühnenaktionen ausdrücken müsse, erinnert er sich und schildert eine Waterboarding-Szene, bei deren Probe sich der anwesende Bewegungschor angeblich erschüttert gezeigt habe. So werde eben emotionales Theater gemacht, meint er. „Ich kann diese Vorwürfe nicht nachvollziehen.“
„Überbordende Leidenschaft für das Theater“
Zu wenig verstanden fühlt er sich auch in seinen Bemühungen, dem angeblich lange gering geschätzten Haus „seine Würde wiederzugeben“: „Ich habe zu Beginn gesagt, ich werde die Josefstadt verteidigen wie ein Löwe. Ich glaube, ich habe das gemacht. Um diesen Respekt und diese Anerkennung zu kämpfen, empfand ich als meine dringlichste Aufgabe. Dafür habe ich gekämpft. Das in ein großer Kraftakt, den ich da gestemmt habe. Dass es im Laufe dieser vielen Jahre Verletzungen gegeben hat, das will ich überhaupt nicht bestreiten, und das tut mir auch sehr leid. In meiner überbordenden Leidenschaft für das Theater werde ich Menschen gekränkt und verletzt haben.“
Föttinger räumt auch ein: „Vielleicht habe ich die Veränderungen dieser Zeit ein bissel vernachlässigt. Das gebe ich wirklich gerne zu. Das bedaure ich.“ Allerdings führt er ins Treffen: „In 19 Jahren habe ich nichts von diesen Vorwürfen mitbekommen.“ Niemand sei zu ihm gekommen, habe Vertrauenspersonen oder Intimacy Coaches angeregt. „Es kam nichts vom Ensemble. Ich habe auch noch von keinem Regisseur gehört: Zu euch komme ich nicht, denn dort ist so ein schlechtes Klima. Im Gegenteil: Unser Haus zeichnet sich aus, dass hier ein besonders gutes Arbeitsklima ist.“
Keine „Entmachtung“, sondern „Fortschritt“
Er stehe voll und ganz hinter dem nun geforderte Kulturwandel, versichert er, und auch die designierte neue Direktion „soll eingebunden sein in den Prozess, damit es mittel- und langfristig zu diesem Kulturwandel kommt“. Als Entmachtung will er das nicht sehen, und ob in seinen Worten auch ein wenig Ironie mitschwingt, ist schwer auszumachen: „Ich fühle mich nicht entmachtet, weil ich ja nicht Macht ausübe!! Insofern kann ich das nicht als Entmachtung sehen. Ich sehe das als Fortschritt.“Eineinhalb Saisonen als künstlerischer Geschäftsführer des Theaters in der Josefstadt liegen noch vor ihm. Eine Schlussrunde, die er anders erwartet hat: „Ich habe mir nicht gedacht, dass ich noch so viel Schaum aufwirbele in dieser Phase.
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