T.C. Boyles neuer Roman: So wird man zum Ei einer Fliege

Mithilfe von "LSD-Papst" Timothy Leary erzählt er in "Das Licht", wie bereitwillig Menschen zu denken aufhören.

In den 1970er-Jahren war es fast unmöglich, ohne dieses Wort ein Gespräch zu führen. Mittlerweile verwendet man es selten.
Bei T.C. Boyle aber wird wieder „ausgeflippt“.
Mit Boyle geht man im neuen Buch auf einen  „Trip“.
„Das Licht“ ist ein historischer Roman über LSD. Alles ist also vorhersehbar. Aber  aktuell interessant, weil nach  Jahrzehnten, in denen sich die Wissenschaft  nicht um das Derivat der Lysergsäure kümmerte, jetzt wieder geforscht wird: LSD als Therapie gegen Todesangst.

Schlangen

Ein hochwertiger – Stoff für den Kalifornier.
Er hätte lieber ein generelles Waffenverbot.
Drogen, das sagt er immer wieder, sollten unter staatlicher Kontrolle in Apotheken verkauft werden.
Dabei hätte ihn, als er um die 20 war,  seine Experimentierfreudigkeit mit Allerlei fast umgebracht. Vom Halluzinogen LSD hält er überhaupt nichts: Es macht zwar nicht abhängig, aber Boyle sah, wie Schlangen aus seinem Bauch krochen.
Da ist diese Erfahrung geradezu harmlos: Zuerst bin ich eine Fliege, und danach marschiere ich in die Fliege hinein und bin ein Ei.
Boyle schreibt darüber zurückhaltend. Setzt nichts drauf. Lässt die Historie laufen, von der zufälligen Entdeckung der bewusstseinsverändernden Eigenschaften durch den Schweizer Chemiker Albert Hofmann ... bis zum „Guru“ der Hippiebewegung Timothy Leary.
Leary (Foto oben) war Psychologiedozent in Harvard. Er fütterte den inneren Kreis seiner Studenten mit LSD. Das war ja damals noch erlaubt.
Rauschige Feste fanden statt, auf denen – anfangs – exakt Buch geführt wurde über Licht- und Farbenspiele, sexuellen Hunger, Dämonen, Engel ...
AscheNach seiner Entlassung nahm er die Jünger nach Mexiko mit, später nach New York, wo schließlich die Polizei Schluss machte.
Was den Nebeneffekt hatte: LSD verließ den  überschaubaren Bereich (= das Raumschiff, in dem immerhin  jeder auf den anderen aufpasste) und kam in den Straßenhandel.
Learys Weg wird nicht zur Gänze mitgegangen.
Nicht bis zum Ende des großen Verführers als sieben Gramm Asche, die – das war sein Begräbnis – ins Weltall geschossen wurde.
Er ist nicht die Hauptperson in „Das Licht“, diese Rolle fällt einem Studenten zu. Aus seinen Augen ist das Beobachten einfacher.
Leary ist bei T.CBoyle bloß Mittel zum Zweck (wie es Sexualforscher Kinsey in „Dr. Sex“ war).
Mit Learys Hilfe zeigt er, wie gern Menschen aufhören, selbstständig zu denken. Wie sie die Leitung abgeben, bei Sektenführern genauso wie bei Politikern.
Sogar die Kinder der Studenten waren bei Learys Experimenten dabei. Hat ihnen gar nicht gut getan.  Sagt ein 15-jähriger Oberg’scheiter zum Vater:
„Man kann immer nur eine Freundin haben.“
Warum? „Weil man nur einen Schwanz hat.“ Danke.

 

T.C. Boyle:
„Das Licht“
Übersetzt von
Dirk Gunsteren.
Hanser Verlag.
384 Seiten.
25,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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