Taylor Swift, so schrieb eine Psychiaterin jüngst in der New York Times, ist für gar nicht wenige junge Frauen in den USA Stoff für Therapiestunden und Therapie zugleich: Die Sängerin ist in den USA längst mehr als ein Popstar, sie ist für ihre Hörerinnen große Schwester mit Antworten auf die schwierigen Fragen des Erwachsen-Werdens und -Seins in Zeiten des Internets, Popikone, ein politisches Rätsel und eine Hitlieferantin (derzeit: "Anti Hero").
Sie war aber auch - ehemals Countrysängerin, lange Jahre schwer fasslich und aus der Ferne konturarm - eher ein US-Phänomen. Das hat sich nun geändert: Swift setzt nächstes Jahr zu einem Triumphzug durch Europa an und spielt allein im Wiener Stadion, das ist Rekord, gleich drei Konzerte (8., 9. und 10. August 2024). Tickets gibt es ab heute, 12 Uhr.
Der Prozess dazu weist all das Schlechte auf, das das Livebusiness zuletzt so unfreundlich gemacht hat wie Flugbuchen: Die Fans brauchen Zugangscodes, um überhaupt Tickets kaufen zu können. Dass der Vorverkauf für die US-Tour völlig schief gelaufen ist, hat dort sogar die Politik beschäftigt, es geht um die Monopolstellung von Ticketverkäufern, um Wucherpreise am Sekundärmarkt.
Klar ist aber auch: Die Swifties werden dennoch die Karten kaufen. Denn Taylor-Swift-Konzerte bergen die Hoffnung auf lebensverändernde Momente für jene, die ihr verfallen sind.
Wenn das ein ganz, ganz, ganz klein wenig sektiererisch klingt, dann ist das nicht ganz falsch: Swift hat eine Fangemeinde, die ohne Wenn und Aber zu ihr steht. Das lohnt sich: Mit der um viele Zusatz-Konzerte erweiterten Tour soll Swift eine Milliarde Dollar umsetzen, hieß es in jüngsten Medienberichten (Beyonce nimmt noch mehr ein, aber die ist ja ebenfalls eine Klasse für sich).
Die Sängerin tut aber auch mehr dafür als die meisten anderen: Wegen eines Streits mit ihrem ehemaligen Label spielte Swift ihre alten Alben noch einmal ein, so dass sie über die Rechte wieder frei verfügen kann. 2021 hatte die vielfache Grammy-Gewinnerin bereits Neueinspielungen ihrer Alben „Fearless“ und „Red“ herausgebracht.
Vergangenen Freitag folgte „Speak Now (Taylor's Version)“. Das Album enthält 22 Lieder, darunter Songs des Originals aus dem Jahr 2010 wie „Mine“, „Mean“ und „Back to December“, aber auch sechs zuvor unveröffentlichte Lieder „aus dem Tresor“, wie Swift schrieb.
Aber die Musik ist nur ein Teil des Phänomens. Die Verehrung geht so weit, dass die jungen Fans sich fragen, wie sie die großen Emotionen der Live-Auftritte durchstehen können, sagte die oben genannte Psychiaterin. Auf den Social Media wird jede Regung Swifts als Shareable weitergereicht und durchinterpretiert. Man kennt das seit den Beatles: Swift holt Menschen an einem entscheidenden Ort ihres Lebens ab, und erntet dafür kreischende Verehrung (übrigens keineswegs nur vom weiblichen Publikum). Sie ist Emotions-Ikone und auch ein Rätsel, dessen Entzifferung die Fans Tag und Nacht beschäftigt.
Das ist ein erstaunlicher Erfolg für eine Sängerin, die vor 20 Jahren an einem Ort ihre Karriere startete, der legendär ist - aber Karrieren auch in eine bestimmte Zielgruppe einkesselt: Swift wurde 2004 14-jährig in Nashville, Tennessee, entdeckt. Wer von dort aus Karriere, der wird (auch) gern in ein konservatives Eck gestellt. Lange Zeit hielt sich Swift diesbezüglich bedeckt, wegen ihres Aussehens - blond, groß - war sie jedenfalls auch ein Idol in rechten und rechtsextremen Kreisen. Dass sie sich hier so lange nicht positionierte, wurde ihr in der aufgeheizten Stimmung der Trump-Ära vorgeworfen - es änderte sich aber zuletzt, und sie gab zunehmend zu verstehen, dass sie eher nach links denn nach ganz rechts neigt. Sie unterstützte etwa offen Joe Biden gegen Trump.
Inzwischen hat sie alles abgesahnt, was es abzusahnen gibt, sie ist vielfach ausgezeichnet und bei mehreren Preisen Rekordhalterin. Sie hat als erste Sängerin überhaupt alle zehn Plätze der Top-Ten in den USA belegt.
Was genau den Zauber Swifts ausmacht, das erschloss sich lange Zeit hierzulande weniger. Swift hatte hier Hits, aber wenn es so euphorische Fans wie drüben in Amerika gab, hat sich das zumindest nicht in den Medien herumgesprochen. Das hat sich nun geändert, wohl nicht zuletzt, weil Swifts Musik auch in Filmen (wie "Sing 2") und anderen Kontexten zunehmend im hiesigen Mainstream allgegenwärtig war. Eines ist schon für den August 2024 vorherzusagen: Die Aufregung, wenn Taylor Swift hier spielen wird, wird gewaltig.
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