Tanz ist nicht gleich Tanz – das Dilemma mit der Vergnügungssteuer

Tanzen diese Menschen bereits? Die Antwort entscheidet darüber, ob es sich um ein Konzert oder um einen Publikumstanz handelt, der der Vergnügungssteuer unterliegt.
Es regt sich erneut Widerstand gegen die Vergnügungssteuer. Eine Bestandsaufnahme.

Wer sich bei einer Veranstaltung vergnügen will, muss meistens dafür zahlen. Nicht nur Eintritt, sondern auch Vergnügungssteuer. Sie wurde früher Lustbarkeitssteuer bezeichnet, ihr Ursprung liegt im Mittelalter. In jedem Bundesland gibt es eine Rahmengesetzgebung, die von den Gemeinden in eigenen Verordnungen umgesetzt werden.

Das Wiener Vergnügungssteuergesetz wurde zuletzt 2005 novelliert; es gilt u. a. für Filmvorführungen, Sportwettkämpfe, Videotheken und eben den Publikumstanz. Es gibt diverse Steuersätze, nur im Falle des Publikumstanzes müssen zusätzlich zu 20 Prozent Umsatzsteuer auch noch 15 Prozent Vergnügungssteuer an die zuständige Magistratsabteilung 6 (Rechnungs- und Abgabewesen) abgeliefert werden. 2014 wurden dadurch bei 6100 Veranstaltungen fünf Millionen Euro eingenommen.

Unzufrieden

Clubs und Veranstalter sind am häufigsten davon betroffen. Sie fühlen sich seit Jahren von dieser "doppelten Steuerlast" benachteiligt. Zuletzt machten sie im Jahr 2013 unter dem Namen "Copy_Paste" gemeinsame Sache: Mit Kampagnen wiesen sie auf die "Ungerechtigkeit" hin.

Ihr Wunsch: "Im besten Fall schafft man die Vergnügungssteuer ab. Sollte das nicht möglich sein, dann sollte man sie auf maximal fünf Prozent der Einnahmen reduzieren."

Gespräche mit der Politik und der Wirtschaftskammer wurden gesucht. "Um gemeinsam im Sinne aller Beteiligten ein konstruktives und notwendiges Reformpaket zu schnüren", sagte Ahi Kaveh, Manager des Wiener Clubs Volksgarten, 2013 optimistisch. Seither passiert aber nicht viel.

Die Situation ist für Veranstalter und Clubs weiterhin nicht befriedigend. Kaveh bezeichnet das Gesetz im Gespräch mit dem KURIER als "nach wie vor unfair. Denn: Konzerte sind im Gegensatz zu Tanzveranstaltungen wie Clubbings und Bälle grundsätzlich von der Vergnügungssteuer ausgenommen." Und Tanz ist nicht gleich Tanz. Der Unterschied liegt im Detail und ist nicht einfach zu beantworten, weil das Gesetz schwammig formuliert ist, wie Kaveh und andere Veranstalter kritisieren.

Selbst erfahrene Vergnügungsteuerexperten tun sich beim Erklären nicht leicht. Stefan Rauscher, Leiter der Gruppe Abgabenverfahren und Vergnügungssteuer in der MA 6, versucht es zumindest: "Wenn vorne auf der Bühne eine Band steht , sich die Leute mit dem Gesicht zur Bühne drehen und dabei tanzen, dann bewerten wir das nicht als Publikumstanz, sondern als Konzert." Es besteht demnach keine Steuerpflicht. Und wenn die Besucher dieser Konzerte rhythmische Bewegungen machen?

Das komme immer auf den konkreten Einzelfall an. Von entscheidender Bedeutung sei die Wortwahl, mit der eine Veranstaltung beworben wird. "Wir informieren uns über die sozialen Medien", sagt Rauscher. "Wenn es dort heißt: ,Da gehen wir hin, weil wir abtanzen wollen‘, dann werden wir eher zur Überzeugung gelangen, dass es sich dabei um einen Publikumstanz und nicht um ein Konzert handelt, auch wenn der Veranstalter das anders sieht."

Gesellschaftstänze

Als Publikumstanz gelten jene Gesellschaftstänze, die auf einer vom Veranstalter bereitgestellten Fläche getanzt werden. Und Gesellschaftstänze sind all jene Tänze im Sinne der weit gefassten Tanzlehrprüfungsverordnung. "Dazu zählen nicht nur alle klassischen Tänze, sondern auch die sich daraus entwickelnden", sagt Rauscher.

Das Wiener Veranstalter-Kollektiv "Techno Sonntag", das u. a. in der Pratersauna Partys umsetzt, bezeichnet das bestehende Gesetz als "veraltet" und "realitätsfremd", eine "dringende Transformation oder Abschaffung ist daher notwendig". Auch Kaveh kämpft weiterhin für eine Änderung des Gesetzes: "Man sollte die Jugendkultur entlasten und Veranstaltungen mit Publikumstanz bis 20 Euro von der Vergnügungssteuer befreien!"

Ändern kann das nur die Stadtregierung. Nach KURIER-Informationen arbeiten Veranstalter gerade auf allen Ebenen an einer Änderung des Gesetzes. Die Szene hofft, dass die Novelle bald nach der Landtagswahl im Oktober beschlossen wird. Offiziell äußern will sich aber noch niemand. Denn man wolle nicht schon jetzt unnötigen Staub aufwirbeln.

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