Roadtrip mit der Großmutter

Melissa McCarthy (auf dem Autodach) macht als Titelheldin „Tammy“ gemeinsam mit ihrer Alkohol-affinen Großmutter (Susan Sarandon) einen wilden Roadtrip  
Triebbündel Melissa McCarthy und eine grau gelockte Susan Sarandon im Oma-Enkelin-Roadmovie "Tammy".

Das letzte Mal, als man Susan Sarandon in einem Roadmovie sah, flüchtete sie mit Geena Davis vor der Polizei. Damals versuchten beide Frauen, Richtung Mexiko zu entkommen, nachdem sie einen potenziellen Vergewaltiger erschossen hatten. Heute zählt "Thelma & Louise" zu den Klassikern des feministischen Mainstream-Kinos.

In dem herzhaft-herben Oma-Enkelin-Roadmovie "Tammy" tritt Sarandon erneut die Flucht mit dem Auto an. Gemeinsam mit ihrer Enkelin Tammy verlässt sie den Spießerhaushalt ihrer Tochter und sucht das Abenteuer auf der Landstraße. Zwar hat sich die glanzvolle Sarandon hier als Granny mit grauen Locken eindeutig ins Alte-Damen-Fach eingecheckt. Allerdings nicht in Hinblick auf ihr Verhalten: Trinkfreudig und immer bereit, einen Sex-willigen Herrn aufzureißen, bringt sie ihre Enkelin Tammy gern in schmähliche Situationen.

Dabei ist die kugelige Comedienne Melissa McCarthy als Tammy spezialisiert auf rabiate Peinlichkeit. Wenn ihr ein Mann gefällt, steckt sie ihm flott die Zunge in den Mund. Und fehlt mal Geld, wird flugs die nächste Donut-Bude überfallen.

Melissa McCarthy ist spätestens seit "Brautalarm" die offizielle Nachfolgerin von Roseanne (dick, laut, unverschämt, prollig und stolz darauf). Gemeinsam mit Sarandon als unwürdiger Greisin bietet sie ein vorzügliches Damen-Duo, das bald von Veteraninnen wie Kathy Bates komplettiert wird. Diese hilft nach Tammys Überfall auf den Schnellimbiss die Spuren zu verwischen und entführt Großmutter und Enkelin auf ihr Anwesen. Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin hat sie dort so etwas wie ein Lesben-Paradies errichtet, in dem bald heftig Party gefeiert wird.

Regisseur Ben Falcone verleiht seiner patenten Damen-Parade den Geschmack von "Grüne Tomaten", mischt derbe Klamauk-Szenen mit erbaulich-moralischen Botschaften zur Selbstfindung und strebt trotz Komplikationen zügig auf ein braves Ende zu. All diese disziplinierenden Kompromisse nimmt man aber gerne in Kauf, zumal es noch Auftritte des zartbesaiteten Mark Duplass, einer Ikone des "Mumblecore"-Kinos (unabhängigen US-Filmemachens), oder eines bärigen Dan Aykroyd zu sehen gibt. Und Melissa McCarthy und Susan Sarandon sind zwar weit entfernt von "Thelma & Louise"; dafür müssen sie aber auch nicht sterben.

Info: "Tammy". USA 2014. 96 Min. Von Ben Falcone. Mit Melissa McCarthy, Susan Sarandon, Kathy Bates.

KURIER-Wertung:

Im Kino: "Tammy"

Die dritte Verfilmung eines Bühnenstücks von Alan Ayckbourn wurde auch sein Testament: Die leichtfüßig-skurril inszenierte, bewusst künstlich gehaltene Theateradaption von „Life of Riley“ war die letzte Arbeit des französischen Altmeisters Alain Resnais („Hiroshima, mon Amour“). Kurz nach der Premiere auf dem diesjährigen Berliner Filmfestival verstarb der Regisseur 91-jährig.

Zum letzten Mal griff Resnais auf sein bewährt famoses, spielfreudiges Stamm-Ensemble zurück – darunter seine langjährige Ehefrau und Kollaborateurin Sabine Azéma. In einer Mischung aus Sitcom und Sittenkomödie, angesiedelt in bewusst unecht aussehenden Pappmaschee-Kulissen, verhandeln drei Mittelstands-Paare ihre bürgerlichen Mores. Und ihre Ehe- und Familienprobleme.

Zwar bekleiden sie alle kunstferne Berufe, üben aber gleichzeitig die Texte zu einem Theaterstück ein, in dem sie als Laien auftreten. Während der Proben ereilt sie die Nachricht, dass ihr guter Freund Riley – eine Person, die im Film niemals zu sehen ist – nicht mehr lange zu leben hat. Sein bevorstehender Tod löst eine ungeahnte Kette an Reaktionen aus: Besonders die jeweiligen Ehefrauen entwickeln plötzlich für den sterbenden Mann ein übergroßes Mitgefühl, das eindeutig in erotisches Begehren umschlägt. Am Ende gibt es keine Frau, die nicht mit Riley eine Affäre sucht. Dabei schwebt der Gedanke an das Ende des Lebens spürbar über „Life of Riley“.

Komisch-absurde, aber auch schmerzhaft-dramatische Situationen, in denen sich Theatertexte mit Sätzen aus dem „wirklichen“ Leben der Figuren mischen, führen zu bittersüßen Doppelbödigkeiten.

Info: Life of Riley. F 2014. 108 Min. Von Alain Resnais. Mit Sabine Azéma, Hippolyte Girardot, S. Kiberlain.

KURIER-Wertung:

Wer heiratet, gefährdet die Verwirklichung seiner Träume. Diese Warnung richtet der ergraute Gilbert just an seinen Schwiegersohn in spe, den Musiker Thomas. Wegen chronischer Erfolglosigkeit verdingt sich dieser in einem Inkassobüro, um den Nestbautrieb seiner Verlobten mitzufinanzieren.

Gilbert wiederum ist vom Helfersyndrom seiner Frau angewidert (Sandrine Kiberlain als Spät-Hippie), zieht aus und stürzt sich mit Thomas in einen wilden Selbstverwirklichungs-Trip – ermutigt durch eine Weinverkostungsorgie im Supermarkt mit anschließender Kifferei. Es folgen durchzechte Partynächte, kindische (Telefon-) Scherze und schließlich ein Videodreh in Marrakesch, wodurch Thomas’ Musikkarriere endlich anspringen soll.

Anthony Marcianos Kinodebüt aus Frankreich bezieht sich auf US-Vorbilder: Alberner Humor à la Farrelly-Brüder trifft auf realitätsnahe Figurenzeichnung eines Judd Apatow. Masturbations-Gags, eine Prise Lebensweisheit und ein Gastauftritt von Iggy Pop – das ist viel auf einmal, aber nicht zu viel.

Info: Komödie. F 2013. 98 Min. Von Anthony Marciano. Mit A. Chabat, M. Boublil.

KURIER-Wertung:

Die Kategorisierung „Komödie“ wird „Zoran – Mein Neffe, der Idiot“ nicht gerecht. Und das nicht nur, weil der Begriff auch den Verdacht auf „Holzhammer“ in sich bergen kann. Doch von der banalen Kommerz-Komödie ist Mattei Oleottos Erstlingswerk Welten entfernt. Es ist eine sensible Mischung aus Parabel und Tragikomödie rund um die komische, recht unsympathische Figur namens Paolo.

Der ist ein junger Einheimischer der Region Friaul und verbringt viele Stunden in der dörflichen Taverne, wo er sich dem Kartenspiel oder dem Brettspiel „Dame“ in einer Variante mit gefüllten Weingläsern widmet. Die alle ausgetrunken werden müssen.

Und dann wird der Menschen-Verachter Paolo nach Slowenien beordert. Ein paar Tage lang soll er den weltfremden, noch minderjährigen Neffen Zoran betreuen. Woraus sich die teils surreale weitere Handlung entwickelt und in einem Finale mit Augenzwinkern mündet. Ein den Schauplätzen entsprechend angenehm „entschleunigter“ Film. Bleibt nur zu hoffen, dass er mit deutscher Synchronisation nicht klamaukartig wirkt.

Info: Zoran – Mein Neffe, der Idiot. I/SLO 2013. 106 Min. Von Matteo Oleotto. Mit Giuseppe Battiston, R. Prašnikar.

KURIER-Wertung:

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