Studie: Kulturnutzung ging weniger stark zurück als befürchtet

Studie: Kulturnutzung ging weniger stark zurück als befürchtet
Erhebung relativiert Besucherschwund durch die Pandemie. Bildung und familiärer Hintergrund bleiben zentrale Faktoren für Teilhabe

Die Befürchtung, dass sich das Kulturpublikum im Laufe der Corona-Pandemie mehrheitlich zurückgezogen hat ("50 Prozent ist das neue ausverkauft"), lässt sich so nicht erhärten: Zu dieser Einsicht kommt eine Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) erstellt und am Freitag veröffentlicht wurde. Zwar gebe es durchaus rückläufige Entwicklungen in einzelnen Sparten, aber auch Gegenbewegungen: Besonders jüngere Menschen haben ihre Besuche seit 2019 erhöht oder waren neu im Publikum.

Staatssekretärin Andrea Mayer bezeichnete die Studie als „wichtige Grundlage für eine evidenzbasierte Kulturpolitik“.

Unter dem Titel „Kulturelle Beteiligung in Österreich. Besuch von Kulturveranstaltungen, Kultureinrichtungen und -stätten“ hat das SORA-Institut im Dezember und Jänner 2023 repräsentativ erhoben, ob und wie Kulturangebote in Österreich genutzt werden. Es ist die erste derartige Erhebung seit 2007.

Streaming keine Konkurrenz

22 Prozent der Menschen in Österreich würden regelmäßig Kulturveranstaltungen besuchen, über einen längeren Zeitraum betrachtet habe sich der Anteil jener, die das mehrmals monatlich tun, in den vergangenen 20 Jahren um 10 Prozentpunkte erhöht - trotz des gewachsenen Angebots an Streaming- oder Gaming-Aktivitäten: "Dass innerhäusliche Aktivitäten in Konkurrenz zum Besuch von Kultureinrichtungen stehen, kann nicht bestätigt werden", heißt es. 4 Prozent der Bevölkerung sieht die Studie als „intensive Kulturbesucher:innen“, 18 Prozent als „regelmäßige Besucher:innen“ von Kunst und Kultur, 59 Prozent als „periphere Besucher:innen“, und 19 Prozent als „Nicht-Besucher:innen“.

 

Folgen der Pandemie

Die Pandemie hat sehr wohl Rückgänge in den Besuchen zur Folge, heißt es in der Studie - die Hälfte der Befragten sagte, sie sei "etwas seltener" bei Kulturevents zu Besuch als 2019, 32 % gaben an, "sehr viel seltener" Kultur zu konsumieren. Dem gegenüber stehen 37%, die sagten, nun "häufiger" zu Veranstaltungen zu gehen. Die Rückgänge und zuwächse seien aber in den Sparten und auch Altersgruppen ungleich verteilt. Insbesondere Ältere und sozial schwache Personen seien überdurchschnittlich unter den Kultur-Aussteigern vertreten, während die zunehmende kulturelle Beteiligung vor allem auf "jüngere Menschen mit hohen, zumeist akademischen Bildungsabschlüssen" zurückgehe. Verändert habe sich lediglich die Affinität zu einzelnen Sparten: Für das gebildete Kulturpublikum hätten sich "ehemalige Distinktionslinien zwischen traditionell hoch- und populärkulturellen Angeboten deutlich stärker aufgelöst", heißt es.

Familie entscheidet

Damit bleibt der Umstand, dass kulturelle Teilhabe trotz zahlloser Bemühungen in großem Maße vererbt wird, eine ernüchternde Einsicht - der enge zusammenhang zwischen Kulturkonsum und sozialer Stellung habe sich in den vergangenen Jahrzehnten "kaum verändert", schreiben die Studienautoren. 47 Prozent der regelmäßigen Kulturbesucher*innen gaben an, aus einer kulturinteressierten Familie zu stammen, nur 20% der seltenen Besucher*innen und 12 % der Nichtbesucher*innen gaben einen ähnlich kulturaffinen Background an. "Diese Unterschiede werden durch die Schule nicht ausgeglichen", heißt es.

„Wir werden in den kommenden Wochen gemeinsam mit dem Bildungsministerium eruieren, ob es sinnvolle Maßnahmen in Ergänzung zu den bereits bestehenden gibt, die langfristig mehr junge Menschen für Kunst und Kultur begeistern können“, so Staatssekretärin Mayer. „Besonderes Augenmerk soll dabei auf die Sekundarstufe 1 gelegt werden, also die 10- bis 14-Jährigen, weil wir hier die breitesten Bevölkerungsschichten erreichen können.“

Kommentare