Oftmals wird von einem Bruch innerhalb des Angebotenen gesprochen (konkrete Zahlen liegen noch nicht überall vor): Veranstaltungen mit großen Stars und klingenden Namen sind nach wie vor voll, noch nicht ganz so Bekanntes, Komplexes oder Nischiges tut sich schwer. „Die Menschen gehen durchaus ins Kino, aber seltener und selektiver“, sagt etwa Michael Stejskal, Geschäftsführer des Filmverleihs Filmladen und Betreiber des Votivkinos und des De France: „Der Erfolg der mittleren und kleineren Filmprodukte ist noch nicht zurückgekommen.“
Zuletzt hat der KURIER im Wiener Konzerthaus nachgefragt, dessen Intendant Matthias Naske die Beobachtung bestätigt: „Die Nachfrage nach exponierten, großen Namen ist ungebrochen und einiges andere bleibt auf der Strecke.“ Die Konzerte sind „zu einem großen Teil ausverkauft“, wird betont. Aber auch die für die Wiener Kulturbranche wichtigen Abos haben nachgegeben. Das Konzerthaus „setzt im Vergleich mit Konzerthäusern in anderen Städten noch immer wirklich viele Abonnements um. Aber die Gesamtmenge der abgesetzten Abonnements (ohne Sonderzyklen) für die Saison 2022/23 ist im Vergleich zu 2019/20 um 13,46 % zurückgegangen.“
Eine ähnliche Zahl nennt auch Österreichs größter Popveranstalter, Ewald Tatar: „Ich schätze, es ist bei kleinen und mittleren Konzerten ein Rückgang um 10 bis 15 Prozent im Vergleich zu den Jahren vor Corona“, sagt er. Auch hier sind viele Konzerte ausverkauft, andere Acts, die vor der Pandemie gut gegangen sind, verkaufen aber weniger Tickets, und dies später.
Woran es liegt, kann so genau niemand sagen. Pandemie-Erschöpfung, Inflation, Angst vor der Rezession und einem harten Winter habe vielen die Lust auf einen Kulturbesuch verdorben, heißt von verschiedenen Stellen. Und: International ist es noch viel schlimmer als in Wien, wird oftmals betont. Die Kulturstadt ist resistenter gegen die Besucherkrise.
Dennoch: „Überall wird gespart, auch bei den Ausgaben für kulturelle Aktivitäten“, sagt Naske. „Leider haben auch einige der Künstlerinnen und Künstler die sich verändernde Marktlage noch nicht erfasst und wir sind zum Teil mit Honorarforderungen konfrontiert, die vollkommen unrealistisch sind.“
Die Wiener Institutionen jedenfalls grübeln, wie sich die Lage bessern könnte. Derzeit kämpfen insbesondere auch jene Häuser, die sich insgesamt Neuem verschrieben haben – etwa neues, für Wien immer noch ungewohntes Theater wie das Volkstheater oder die künstlerische Ausrichtung der Wiener Festwochen –, mehr als andere: Der Pandemiebruch hat die eh schon heikle Aufgabe, mit Neuem altes Publikum zu halten und neues Publikum zu gewinnen, noch einmal ordentlich schwieriger gemacht. In den Häusern sieht man den Schwund auch als Herausforderung an sich selbst: „Wir müssen das Publikum noch besser informieren und durch redaktionelle Qualität und auch durch die ,besseren‘ Geschichten die Menschen in ihrer Offenheit und Bereitschaft auch weniger Bekanntes gegenüber aufgeschlossen zu sein fordern“, sagt Naske. „Letztendlich wird sich die künstlerische Qualität auch abseits des Mainstreams durchsetzen.“
georg leyrer
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