Steinalt, steinreich und sexy

Steinalt, steinreich und sexy
Neue CD-Boxen und einige wenige Konzerte zum 50-Jahre-Bandjubiläum.

Mitte der Siebzigerjahre wurde zum ersten Mal über das Alter der Rolling Stones gespottet: dreißigjährige Männer als Rockstars – ein peinliches Schauspiel!
Heute sieht man das anders: Wenn klassische Musiker und Jazzer im sehr weit vorgerückten Jünglingsalter auf die Bühne dürfen – warum dann nicht auch Rocker? Es gilt die Daumenregel: Da der Rock ’n’ Roll immer so alt ist wie Mick Jagger, kann Mick Jagger nie zu alt für den Rock ’n’ Roll sein. Und Mick Jagger ist 69. Einhalb.

Derzeit beweisen die Ruhestandsverweigerer, dass sie nicht nur alt und reich sind (ihre bisher letzte Tournee brachte 2008 mehr als 600 Millionen Euro ein, Jagger wird auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt), sondern auch nach wie vor sexy, zumindest im weitesten Sinn. Fünf Konzerte spielen sie demnächst, um das Bandjubiläum zu feiern: Am 25. und 28. November in London, am 8. Dezember in Brooklyn und am 13. und 15. Dezember in New Jersey. Die Karten waren innerhalb weniger Minuten ausverkauft.

Insider rechnen damit, dass die Band mit diesen wenigen Auftritten einmal abtesten will, wie gut sie noch in Form ist – um dann 2013 weitere Shows folgen zu lassen. Gitarrist Keith Richards – er wird am 18. Dezember 69 – ließ gegenüber der BBC solche Überlegungen anklingen. Österreich darf weiter auf ein Stones-Konzert hoffen. Klar ist aber auch eines: Eine Monstertournee wie früher werden sich die Herren nicht mehr antun. Auf der „Biggest Bang“-Tour 2008 war zum ersten Mal deutlich zu sehen, wie fragil der Gesundheitszustand von Richards ist. Der Gitarrist leidet an Arthritis sowie unter den Folgen seiner früheren Drogen- und Alkoholsucht und einer Gehirnblutung. Schlagzeuger Charlie Watts, 71, überstand 2004 eine Krebserkrankung. Und Gitarrist Ronnie Wood – mit 65 der Jüngling der Band – gilt wegen seiner Affinität zu Bier und Wodka als wandelndes Sicherheitsrisiko.

Gäste

Es gibt übrigens von der Band selbst gezielt gestreute Gerüchte über Bühnen-Stargäste: So könnten nicht nur Eric Clapton oder Jimmy Page die Stones verstärken, sondern auch die Exmitglieder Bill Wyman und Mick Taylor.

Ein überraschend angesetztes Probe-Konzert Ende Oktober im Pariser Club „Le Trabendo“ verlief jedenfalls gut – auf YouTube kursieren verwackelte Handymitschnitte, die ein schön raues Konzert erahnen lassen. Sie spielten dabei auch die neue Single „Doom And Gloom“.

Damit sind wir bei den neuen Tonträgern der Stones. „Doom And Gloom“, ein von Mick Jagger komponiertes Stück, zeigt deutlich, wie vital und relevant die Band noch ist, wenn sie will: Der Song stampft und faucht, sein Groove ist gleichzeitig hart und tanzbar, die tiefer gestimmten Gitarren klingen böse und modern. Dass mehrere Radiostationen, auch in Österreich, das Lied als zu hart ablehnten, ist in Wahrheit ein dickes Kompliment. Das zweite neue Stück, „One More Shot“ stammt von Keith Richards, variiert das Riff von „Street Fighting Man“ und ist nicht ganz so packend, aber immer noch gut.

Grrr!

Steinalt, steinreich und sexy
Die neuen Stücke sind ein Kaufanreiz für die Fans, sich „Grrr!“ zuzulegen, die neue Best-of-Sammlung. Für Stones-Neueinsteiger ist das Paket sowieso perfekt: 50 essenzielle Songs von 1962 bis heute. „Grrr!“ (schöner Titel!) gibt es als simple Doppel-CD und als Box mit Booklet und Mini-Konzertpostern. Und dann gibt es natürlich die Super-deluxe-Gschisti-gschasti-Edition mit 80 Titeln und unveröffentlichten Aufnahmen und Vinyl-Platten und Fotobuch und ... Der Stones-fan gönnt sich ja sonst nichts zu Weihnachten (99 €)

Das bemerkenswerte Cover stammt übrigens von dem New Künstler Walton Ford: Ein Gorilla trägt das Bandlogo, das Lippen-Zunge-Motiv, im Gesicht. Ein Silberrücken, der eine dicke Lippe riskiert: die Stones beweisen Selbstironie.

Abgesehen davon gibt es eine neue Dokumentation über die frühen Tage der Band („Crossfire Hurricane“ lief gestern in den USA auf HBO), eine neue DVD („Charlie Is My Darling“, über die Irland-Tour von 1965) ist im Handel. Außerdem kann man Konzertmitschnitte in der bandeigenen „Bootleg“-Serie über die Website der Stones beziehen.

www.rollingstones.com

"Crossfire Hurricane"

"Charlie Is My Darling"

Led Zeppelin (Jimmy Page ist 68, Robert Plant 64) veröffentlichen endlich den Mitschnitt ihrer Comeback-Konzerte in London 2007 – unter dem Titel „Celebration Day“ als DVD und Doppel-CD. Zur Erinnerung: Für die 20.000 Tickets gab es damals 20 Millionen Bewerbungen. Die Musiker schließen weitere Aktivitäten unter dem berühmten Bandnamen aber kategorisch aus.

Bob Dylan , 71, gelang heuer mit „Tempest“ eines der besten Alben seiner gesamten Karriere: Kritiker und Fans waren begeistert von den abgründigen, sarkastischen, literarisch hochwertigen Stücken. Dylan befindet sich seit 24 Jahren auf seiner „never ending Tour“.

Neil YoungDylan und er sind einander in gegenseitiger Hochachtung verbunden – fiel ebenfalls mit einem überraschend starken Album auf. Dieser Tage brachte Young – er wurde am 12. November 67 – mit seiner Stamm-Band Crazy Horse die Doppel-CD „Psychedelic Pill“ heraus, laut Kritikern die beste Young-Platte seit mindestens-wenn-nicht-und-überhaupt. Es gibt überlange Stücke (eines dauert eine halbe Stunde), packende Melodien und heulende Gitarren.

Roger Waters , 69, ehemaliges Mastermind von Pink Floyd, sendet ganz ohne neue CD kräftige Lebenszeichen aus: Mit seiner brillanten „The Wall“-Tour zeigt er derzeit weltweit, wie Rock-Shows unter vollem Technik-Aufwand heute aussehen können. Ins Wiener Happel-Stadion kommt er zwar erst am 23. August 2013 (Tickets ab 24. November ) –, aber er freut sich jetzt schon, wie er am Donnerstag in London sagte: „In Wien kann ich Sachertorte essen.“ Bewegendster Moment der Show für Waters: Die „spektakuläre Animation“ beim Song „Comfortably Numb“.

Und im Bereich des verhärteten Bluesrock gab es zwei überraschend starke Comebacks nach langen Jahren der Pause: Aerosmith und ZZ Top haben tolle Alben in den Markt geschleudert.

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