Brauchen diese Künstler dann klare Strukturen und Anweisungen?
Ich glaube, dass viele das so sehen würden, und vielleicht ist es auch richtig so, wenn man es so sieht. Aber ich habe immer versucht, den Leuten so viel Freiraum wie möglich zu lassen und habe künstlerisch kaum jemandem reingeredet.
Aber bei Wanda, so steht es im Buch, gab es klare Anweisungen, was das Outfit betrifft.
Flo Senekowitsch inszenierte Wanda geschmackvoll und gut an der Grenze zum Kitsch, aber eben punktgenau noch authentisch. Es ist sein Verdienst, dass Wanda von Beginn an wie Superstars aussahen. Er sagte ihnen in Absprache mit Marco, was sie anziehen sollten. Nie Sportschuhe lautete eines der Dogmen, nie bedruckte T-Shirts ein zweites, und nie alle gleichzeitig mit Lederjacke auf ein und demselben Foto, um nicht wie eine dämliche Version der Ramones rüberzukommen. Das ist alles von Flo gekommen, und ich habe das gut geheißen. Die Band sollte optisch zu den Songs passen, die sie machen. Das kommt leider viel zu selten vor.
Sie und Wanda sind nach dem Erfolg mit dem Debütalbum „Amore“ und dem ebenso erfolgreichen Nachfolge-Werk „Bussi“ getrennte Wege gegangen. Warum?
Ab einem gewissen Punkt war die Stimmung für mich heavy. Das Gemeinschaftliche ist ein bisschen verloren gegangen und jeder hat seine eigene Suppe gekocht. Als ich gemerkt habe, dass ich mit meinen strategischen Ideen nicht mehr durchdringe, habe ich die Konsequenzen gezogen und bin gegangen.
Waren Sie seitdem wieder auf einem Wanda-Konzert? Ich habe mir seit Herbst 2016 kein einziges Mal etwas Neues von Wanda angehört. Ich habe weder Konzerte von ihnen besucht noch mir neue Alben angehört. Man kommt an Wanda im Alltag aber nicht ganz vorbei – bei der einen oder anderen Taxifahrt ist es schon vorgekommen, dass „Columbo“ im Radio lief.
Marco Wanda wird im Juli ebenfalls ein Buch veröffentlichen. Werden Sie es lesen?
Ich glaube schon. Es interessiert mich, welche Sicht er auf diese gemeinsame Zeit, auf die Trennung hat. Wünschenswert wäre es, wenn er nichts beschönigt, und wenn er mir gegenüber fair bleibt. Es waren im Großen und Ganzen auch sehr coole Jahre, die wir miteinander gearbeitet haben. Vielleicht hat er mich aber auch nach dem Lesen meines Buches komplett aus der Geschichte gestrichen, denn das Buch hat jetzt über 20 Seiten weniger als angekündigt.
Bilderbuch oder Wanda?
Wanda. Bilderbuch interessieren mich nicht, das ist nicht meine Musik. Für mich ist das die Café-Latte-Fraktion – zu cool, zu kalt, holt mich emotional nicht ab. Selbst jetzt, wo ich seit Jahren nichts Neues von Wanda höre, finde ich das immer noch erträglicher als Bilderbuch.
Im Buch kann man nachlesen, wie fertig Sie teilweise waren. Wie schlimm war es?
Die Ärzte haben mir 2021 gesagt, dass ich sofort ruhiger treten soll. Das Hauptproblem war der Stress. Die Drogen waren nicht so das Problem, davon habe ich nie viele genommen. Aber ich habe mich ungesund ernährt, keinen Sport gemacht, zu viel gearbeitet. Ich war ein Wrack.
Gehts jetzt besser?
Seit zwei Jahren trinke ich keinen Alkohol mehr. Ich bin mir auch zu 99,9 Prozent sicher, dass ich das durchziehen werde, weil ein Leben ohne Alkohol sehr viele Vorteile hat.
Wie steht es um die heimische Musikszene
Ich habe keine Glaskugel und weiß nicht, was gerade in den Proberäumen passiert. Aber ich glaube, eine Sättigung ist erreicht. Dass Marco Wanda jetzt ein Buch über die „glorreichen alten Zeiten“ schreibt, ist ein klares Zeichen dafür, dass eine Ära endet. Wann der nächste Zyklus startet? Keine Ahnung. Dass die Major-Labels aus Österreich verschwunden sind, sehe ich als Chance: So kann wieder ein kreatives Biotop entstehen. Denn große Plattenfirmen zerstören Kreativität meist mit viel Geld. Jetzt geht’s wieder von vorne los.
Wie sieht’s bei Ihnen aus?
Wäre ich 20, würde ich sofort ein Label gründen. Aber ich bin 42 und sehe mich eher wie Gandalf aus „Herr der Ringe“: „Meine Zeit auf Mittelerde ist vorbei.“
Für heimische Indie-Bands gilt trotz YouTube und TikTok nach wie vor die Regel: Willst du erfolgreich sein, musst du auf FM4 gespielt werden. Wie schwer ist es, Bands reinzubekommen?
Oft ist es Glückssache. An Wanda kamen sie nicht vorbei, auch wenn die Band nicht sofort sympathisch war. Hier hat sich einfach die Qualität durchgesetzt. Es braucht Glück und das richtige Timing. Was oft als „Freunderlwirtschaft“ bezeichnet wird, ist eigentlich normal – wo Menschen sind, da menschelt es eben. Mich nerven eher die frustrierten Musiker, die auf Facebook posten: „Ich bin doch so gut, niemand versteht das…“ Auch ich konnte nicht alle meine Künstler bei FM4 unterbringen. Klar fragt man sich dann, nach welchen Kriterien entschieden wird. Auch wenn man sich manchmal unfair behandelt fühlt, muss man dankbar sein, dass es FM4 überhaupt noch gibt.
In Ihrem Buch nennen Sie die Musik von Seiler & Speer oder Pizzera & Jaus „Schnitzelfresser-Pop“. Was genau meinen Sie damit?
Das ist gemütliche, österreichisch geprägte Musik, die keine Risiken eingeht. Das ist nichts Schlechtes, ich meine das nicht abwertend. Man kann so was mögen, das ist völlig okay. Ich selbst höre ja auch Beatles – auch wenn die 60 Jahre alt sind, sind sie für mich immer noch großartig.
Vermissen Sie die Wertschätzung aus der Branche?
Nein, nicht wirklich. Manche halten mich für ein Genie, andere für einen Trottel. Ich sehe mich irgendwo dazwischen. Außer von Leuten, die wollten, dass ich ihr Manager werde, habe ich nie ein Jobangebot von großen Plattenfirmen bekommen. Vielleicht liegt es daran, dass ich zu kauzig bin und viele mich für unangenehm halten.
Ärgert Sie das?
Ich habe mir stets vorgenommen, niemals so ein verbitterter alter Mann zu werden. Dafür muss man auch bereit sein, Menschen, die gemein zu einem waren, Fehler machen zu vergeben – nicht aus Gutmütigkeit, sondern um sich selbst zu helfen. Hass bringt nichts, weder heute noch in zehn Jahren. Warum sollte ich mir von jemandem die Stimmung verderben lassen? Neid und schlechte Worte schaden nur einem selbst.
Zur Person
Stefan Redelsteiner, 1982 in Wien-Floridsdorf geboren, ignorierte Mamas Pläne und wurde Musiker, Musikkritiker, Labelbetreiber und Musikmanager. Dabei entdeckte er den Nino aus Wien, Wanda, erkannte früh das Talent von Autorin Stefanie Sargnagel.
Das Buch
Auf 300 sehr unterhaltsamen Seiten erfährt man in „Der Problembär“ viel über die österreichische Musikszene sowie über Redelsteiners persönliche Triumphe und Niederlagen. Entstanden ist das Buch nach zahlreichen Sitzungen und Gesprächen mit dem Journalisten Gerhard Stöger.
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