Die in etwa so lautet: Theater ist groß, Theater soll Spaß machen, aber auch zum Nachdenken anregen. Unter diesem Motto hat das nunmehr MusikTheater an der Wien genannte Haus sein Ausweichquartier erfolgreich bezogen. Mit einem Werk, das derartig vielschichtig ist und somit nach einer Interpretation verlangt.
Bei Janáček geht es um die Welt der Menschen und jene der Tiere, die den Menschen selbstverständlich überlegen sind. Da fängt ein Förster ein weibliches Füchslein im Wald, doch dieses reißt bald aus (und tötet ein paar Hühner), trifft danach einen Fuchs, heiratet, viele kleine Füchslein werden geboren, doch am Ende wird die Füchsin von einem Wilderer erschossen. Ein Lebenskreis eben, den Janáček als wunderbare Parabel mit zwei Metaebenen (Tier und Mensch) dargestellt hat.
Stefan Herheim aber sind diese zwei Ebenen nicht genug. Er führt brillant neue ein. Etwa, dass der Komponist Leoš Janáček selbst (und nebenbei auch in diversen Rollen) auf der Bühne steht. Im weißen Anzug mit Hut (Kostüme: Doris Maria Aigner) und seine eigene Opernschöpfung bestaunt. Dieser Kunstgriff ist bei Herheim längst bekannt und immer äußerst wirkungsvoll.
Die nächste Metaebene ist die des Theaters per se. Frei nach dem Motto: „Ich zeig euch, was die Bühne alles kann“, hat Herheim in der brillanten Ausstattung von Silke Bauer eine Theaterwerkstatt geschaffen. Umbauten finden auf offener Bühne statt. An den Seitenwänden sind die Requisiten gelagert, die je nach Bedarf eingesetzt werden.
Da genügt es, wenn ein Füchslein den Schweif in der Hand hat, ohne auf Tier geschminkt zu sein. Oder wenn die kleinen Füchslein ihre Stoffköpfchen vor sich hertragen. Wie viele der anderen tierischen Waldbewohner auch. Nur eine überdimensionierte Libelle prangt über dem Geschehen. Doch es kommt noch besser in Herheims orgiastischer Bilderflut. Der Chor (sehr gut wie immer der Arnold Schoenberg Chor) verkörpert hier diverse Personen der Operngeschichte. Und auch der Ballettliteratur. Desdemona, Mimì, Violetta, Brünnhilde, Tosca, Cleopatra und ihre jeweiligen Partner, aber auch der Nussknacker und die Schwäne aus „Schwanensee“ haben ihre Auftritte – sie werden letztlich von einem Mähdrescher überrollt. Klare Fälle von Femiziden.
Und der Wilderer Hárasta (markant gesungen von Marcell Bakony) wird vorerst zu einer Art Totengräber, der sich aus den Überresten seiner Opfer einen neuen Fetisch bastelt. Doch das geht nicht mit Janáček (exzellent der Tenor Ya-Chung Huang), der seine Oper wieder in die Bahnen bringt.
Denn das Füchslein (Mélissa Petit singt und spielt in tschechischer Sprache mit Übertiteln fabelhaft), sondern auch der Förster (stark: Milan Siljanov), der Fuchs (etwas zu schrill: Mezzo Jana Kurucovà) und die übrigen Protagonisten (Alžběta Vomáčková, Levente Páll) folgen Janáček und der Musik exzellent.
Und das Orchester? Hier ist Herheim ein Coup gelungen. Dass die Wiener Symphoniker Janáček können, wissen wir. Aber wie die litauische Dirigentin Giedre Šlekyte schöne Klangfarben hervorzaubert, was sie aus dem Orchester herausholt, ist bemerkenswert. Diese Dirigentin will man öfter hören. Jubel für alle Beteiligten. Ein Einstand nach Maß.
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