Nur. Wissen Sie, wie verrückt es ist, ein Stück aufzunehmen, das man selber nicht mag? So oft, wie ich die auf Konzerten spielen muss, das wäre der Horror schlechthin.
Haben sich schon mal Künstler, die Sie gecovert haben, bei Ihnen gemeldet und gesagt, „Das ist toll geworden“ oder „Das war wohl nichts“?
Die müssen das eh vorab abnicken. Es sind keine Cover, sondern Arrangements, da brauche ich von den Publishing Firmen grünes Licht. Ich habe bis jetzt wahnsinniges Glück gehabt. Auch bei Leuten wie Eminem, die normalerweise keine Covers von Originalsongs zulassen. Ich nehme schon auch an, dass die faszinierend finden, wieviel Vielfalt und Farbenreichtum ein Orchester in so ein Stück reinbringt.
Wann ist eigentlich die Popmusik in Ihr Leben getreten? In der Kindheit hatten Sie dafür eher weniger Zeit ...
Meine Eltern haben viel Wert auf eine klassische Ausbildung gelegt, sie haben wenig Pop und Rock zuhause gehört, was die Neugier bei mir nur gesteigert hat. Irgendwann, als ich Entscheidungen selber treffen durfte, in der Studienzeit in New York, musste ich mich damit umso mehr beschäftigen. Die verbotene Frucht musste gehört werden.
Und was war der Soundtrack dieser Befreiungszeit?
Wenn du als Kind nicht die Beatles, die Stones, die Ramones, Led Zeppelin, Britney Spears, Michael Jackson gehört hast, also wenn du 50, 60 Jahre Popgeschichte nicht mitgekriegt hast, hörst du dir einfach alles an.
Sie haben ein Making-Of-Video gedreht, und vor dem Studioeingang auf der 27. Straße erzählen Sie, dass das früher eine Ausgehmeile war. Da haben Sie wohl einiges erlebt?
Da habe ich viel erlebt, sehr viel, zu viel (lacht). Ich vermisse das auch teilweise. Ich glaube, früher hatte ich, einfach weil der Erfolg sporadischer war, mehr Zeit für mich. Wenn du Person des öffentlichen Lebens wirst, schränkt dich das in deiner privaten Freiheit außerhalb deiner Wohnung total ein. In den letzten 15 Jahren stehen bei jedem Besuch in einer Bar, in einem Nachtclub, nicht mehr 15 oder 20 Paparazzi vor dem Club, sondern 200 Paparazzi im Club selber mit ihrem Handy. Wenn man wie ich eigentlich ein introvertierter Mensch ist, ist das eine enorme Einschränkung. Ich liebe es halt, anonym durch die Gegend zu ziehen. Das ist in manchen Ländern besser möglich als in anderen. In New York geht es ganz gut.
Eignet sich die Geige für diese Instrumentalversionen so gut, weil sie der menschlichen Stimme ähnelt?
Ja, das habe ich oft gesagt, aber ich glaube, im Endeffekt liegt es an etwas anderem: dem Willen, etwas gut hinzubekommen. Ich denke, wenn ich Blockflöte spielen würde, würde ich das mit genauso viel Willen und Einsatz ebenso gut hinbekommen. Ich bin froh, dass es die Geige ist und nicht die Blockflöte, nicht falsch verstehen (lacht). Ich bin vom Charakter so. Es wäre mir egal, ob es eine Panflöte oder Triangel ist, ich würde so lang dran rumbasteln, bis sich das geil anhört und die Leute sagen, „Hey, der spielt die Triangel wie kein Zweiter“.
Aber die Geige ist schon sexyer als die Triangel ...
Sie haben mich noch nie Triangel spielen gehört!
Sie haben eine Geige des italienischen Geigenbauers Guarneri del Gesù von 1736 um 3,5 Millionen Euro ersteigert: Spielt man auf so einem Instrument auch?
Ja, sehr gerne, ich habe viele Konzerte der „Iconic Tour“ damit gespielt. Man ist sich natürlich seiner Verantwortung bewusst, aber das ist man auch bei einer weniger wertvollen Geige, man will nie, dass etwas kaputt geht. Das macht nicht so viel Unterschied, ob du auf einer Guarneri del Gesù spielst oder einer Jean-Baptiste Vuillaume – du bist jemand, der drauf aufpassen sollte für nachfolgende Generationen. Natürlich spielt man die auch.
Ist da dann immer Security in der Nähe?
Überhaupt nicht, wenn mir jetzt jemand die Knarre an den Kopf hält, dann würd ich die Geige auch abgeben. Ich weiß aber gar nicht, was jemand mit so einer Geige will. Entweder man muss selber Geige spielen und so ein Fanatiker sein, dass man unbedingt eine Stradivari oder del Gesù zuhause privat spielen will, für 50 Jahre im stillen Kämmerlein. Denn du kannst sie nicht mit auf die Bühne nehmen, weil das Instrument wird sofort wiedererkannt. Du kannst es nur im tiefsten Schwarzmarkt in Russland irgendwo verkaufen, an jemanden, der sie wieder nur im Keller ausstellen kann. Die Möglichkeiten, damit Geld zu machen, sind richtig schlecht. Da würd ich lieber Gold klauen und einschmelzen, das ist viel geiler und einfacher.
Sie machen schon lange Crossover-Musik, dafür haben Sie sich auch abschätzige Spitznamen gefallen lassen müssen wie „David Hasselhoff der Klassik“. Hat sich die Akzeptanz über die Zeit verbessert?
Ich mache das schon so lange, dass es generationsübergreifend ist. Ich glaube, dass die Berührungsängste in der Generation nach mir und noch eine danach viel weniger geworden sind. Vielleicht auch ein Stück weit durch meine Arbeit an der „Front“. Es gibt jetzt so viele Kollegen, mal gut mal schlecht, die bespielen die Sozialen Medien und haben Millionen von Klicks. Pianisten, Geiger, die – unter uns Betschwestern – nicht gut spielen können, aber die Nuance der Zeit richtig treffen mit dem Stück. Obwohl sie die Noten eigentlich gar nicht so richtig spielen, hat das Video etwas, dass es Millionen gut finden. Und das hat etwas mit Klassik zu tun, insofern Bravo, gut gemacht! Da hab ich sicher viel dafür getan, Wände eingerissen, mal mit Absicht, mal ohne.
Ein Track auf der neuen CD ist von Rammstein. Manche hätten da vielleicht Skrupel gehabt nach den Missbrauchsvorwürfen gegen Till Lindemann, Sie nicht?
Ich wohne die meiste Zeit in den USA, das ist mir gar nicht wirklich aufgefallen.
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