Stararchitekt und "Ironimus" Gustav Peichl gestorben

Ein älterer Mann mit Brille und roter Weste steht vor einem Bücherregal.
Der Erbauer zahlreicher Kulturbauten mit einer zweiten Karriere als Karikaturist wurde 91 Jahre alt.

Er war eine Doppelbegabung und prägte als „Doppelgänger“, wie er sich in seiner Autobiografie nannte, die Zweite Republik mit. Gustav Peichl entwarf als Architekt etwa sieben ORF-Landesstudios und die Bundeskunsthalle in Bonn und konnte als Zeichner „Ironimus“ auf über 12.000 Karikaturen, 30 Bücher und 100 Ausstellungen zurückblicken. Am gestrigen Sonntag ist Peichl nun 91-jährig gestorben.

Geboren am 18. März 1928 in Wien, studierte Peichl nach dem Besuch der Staatsgewerbeschule Mödling und der Bundesgewerbeschule in Linz an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Meisterklasse Clemens Holzmeister. Schon während des Studiums entstanden politische Karikaturen, mit denen er in Blättern wie „Kurier“, „Express“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Die Presse“ reüssierte und zuveritablen Medienstar avancierte. Mit legendären TV-Sendungen („Die Karikatur der Woche“, „Der Jahresrückblick in der Karikatur“) erreichte Peichl alias „ Ironimus“ ein Millionenpublikum.

Gustav Peichl ist tot

1955 eröffnete er sein eigenes Architekturbüro in Wien und errang bald internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung. Zu seinen bekanntesten Projekten zählen neben den ORF-Landesstudios - ironisch auch als „Peichl-Torten“ apostrophiert - die Bauten der Messe Wien, das neue Haus der Kammerspiele München, die Bundeskunsthalle Bonn, die Erweiterung des Städel Museums in Frankfurt, die Burgtheater-Probebühne im Arsenal, die Erdefunkstelle Aflenz und nicht zuletzt das 2001 eröffnete Karikaturmuseum in Krems mit dem Ironimus-Kabinett.

Klare Formgebung, die Verwendung von Sichtbeton und spielerische Akzente sind für seinen Stil charakteristisch. „Wenn sich ein Architekt mit dem Zeitgeist verheiratet, ist er sehr bald Witwer“, charakterisierte Peichl einmal seinen entwerferischen Zugang. 1993 zeigte das Historische Museum der Stadt Wien die erste repräsentative Gesamtschau seines Werkes, im Vorjahr widmete das MAK dem Architekten, der 70 Bauprojekte realisieren konnte und dabei ein deutliches Faible für Kulturbauten erkennen ließ, die Personale „15 Bauten zum 90sten“.

Ein lila Boot mit einer Milka-Kuh fährt auf der Donau in Wien, im Hintergrund die Donau City Tower.

Millenium Tower

Millennium Tower (mit Boris Podreca und Rudolf F. Weber, 1999)

Blick aus einem Fenster auf den Fernmeldeturm Mannheim.

Messe Wien

Messe Wien, 2002-2003

Die Fassade eines modernen Gebäudes mit abgerundeten Formen und viel Glas.

Bundeskunsthalle Bonn

Bundeskunsthalle Bonn, 1992

Eine architektonische Zeichnung eines Gebäudes mit einem runden Anbau.

ORF Landesstudios

ORF Landesstudio Tirol 1972

Eine architektonische Zeichnung des „PFA Berlin“-Gebäudes mit Treppenaufgängen.

Phosphat-Eliminationsanlage, Berlin, 1985

Phosphat-Eliminationsanlage, Berlin, 1985

Von 1973 bis 1996 leitete Peichl die Meisterschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste, wo er 1987/88 auch als Rektor fungierte. Peichl nahm zweimal an der Architekturbiennale in Venedig und an der documenta in Kassel teil. Zahlreiche Auszeichnungen - wie der Große Österreichische Staatspreis, der Mies-van-der-Rohe-Award, der Goldene Ehrenring der Kammer der Architekten oder der Architekturpreis Berlin - würdigten sein Schaffen. In Berlin eröffnete 2013 das Gustav-Peichl-Archiv, 2014 wurde in Wien der Gustav-Peichl-Preis für Architekturzeichnung gestiftet.

Bis zuletzt war er als Karikaturist aktiv, unter anderem brachte er erst im August 2019 im Amalthea-Verlag das Buch „Offene Geheimnisse“ mit späten Zeichnungen und Collagen heraus. Im Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee (Bayern) wurde Ende September 2019 die Einzelausstellung „Ironimus / Cartoons von 1948 bis 2018“ eröffnet, die bis Jänner 2020 läuft. Peichl lebte bis zuletzt in einem von ihm selbst entworfenen und 1962 fertiggestellten Haus in Wien-Döbling. Peichl hinterlässt drei Kinder und drei Enkelkinder.

Eine rote Kugel mit der Inschrift „G.P. 1992“ ist an einer Wand befestigt.

Eine steinerne Clownnase als "Signatur" Peichls an der Bundeskunsthalle Bonn, 1992

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