Soundtrack zum Zeitalter der Sozialmedien

Karl Bartos
Ex-Kraftwerk-Mitglied Karl Bartos legt sein erstes Soloalbum neu auf. Ein Wiederbesuch der Zeit, als der große Medienbruch noch Zukunft war.

Es drehen die Veteranen des Pop ja derzeit eine Ehrenrunde nach der anderen. Auch im Musikhandel: Große klassische Alben werden angehübscht, zu aufwendigen Boxen versammelt und noch ein letztes Mal an jene verkauft, die für den Musikbesitz noch Geld ausgeben. Weil’s auch schon egal ist: Das alles haben die damals schon auf Vinyl gekauft, dann erneut als CD, da werden sie es jetzt auch noch einmal als Box erwerben. Neue Erkenntnisse sind da selten zu gewinnen: Nostalgie öffnet die Geldbörse, die Erinnerung an bessere Zeiten ist ihr Geld wert. Mehr braucht es nicht für den Musikumsatz.

Und dennoch: Es gibt auch Wiederveröffentlichungen, die mehr über unsere Zeit aussagen als über jene, als die entsprechende Musik erstmals erschienen ist. Eine davon erschien dieser Tage, als limitierte Box (1000 Stück) in der handelsüblichen Nobel-Ausstattung: Karl Bartos, dereinst zum Mitkomponisten aufgestiegener Ex-Drummer der wegweisenden deutschen Electronic-Pioniere Kraftwerk, hat sein erstes richtiges Soloalbum "Communication" (2003) neu verpackt und erweitert, mit neu gemixtem Vinyl, CD, USB-Stick, Poster und weiteren Beigaben (erstehbar um rund 100 Euro).

Und ermöglicht damit dem Hörer einen überraschend wuchtigen Zeitsprung – in jene gefühlt ewig zurückliegenden Tage knapp vor dem großen Medienbruch, vor Facebook, Twitter, SnapChat, als das Selfie-Zeitalter noch Zukunftsmusik und der Ruhm noch 15 Minuten dauerte, nicht, wie heute, 15 Sekunden.

Kulturwandel

Die Kommunikation ist ein logisches, im Kraftwerk-Kanon aber ein wenig unterspieltes Thema. Bartos schloss mit "Communication" diese Lücke – und lieferte so einen Vor-Soundtrack für das Sozialmedien-Zeitalter. Es gehe darum, so Bartos bereits 2003, wie sich durch elektronische Medien die Inhalte unserer Kultur verändern.

Diese Veränderung ist gewaltig – und wirft bis heute Fragen auf, über die man beim Nach-Hören sinnieren kann. "Schau mich an/ich bin die Botschaft", heißt es in "I’m the Message". Und in "Electronic Apeman: "Die Zukunft passiert uns, während wir andere Dinge tun."

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