Song-Preziosen von Liebe, Leben und Überleben

Dee Dee Bridgewater in St. Pölten Festspielhaus am 1. Juni 2013
Kritik: Dee Dee Bridgewater war nach langer Pause im Festspielhaus St. Pölten zu hören.

Wiederhören mit Dee Dee Bridgewater nach langer Pause Samstag im Festspielhaus St. Pölten: „Das Beste ist: Sie und ich, wir leben noch“, sagt die Sängerin, und es kommt vom Herzen.

„Lady sings the Blues“ ist der Anfang einer Reihe von gefühlvollen Minidramen ihrer Hommage an Billie Holiday. „Good Morning Heartache“ gelingt da nach „Lover Man“ schon sehr viel besser.

Wobei auch für „Fine and Mellow“ gilt: Dee Dee Bridgewater singt Holiday wie Dee Dee Bridgewater, also weniger intro- als extrovertiert.

Der zeitgenössische Pop-Song wie Stevie Wonders „I Can’t Help It“ ist nicht das ideale Metier der 63-Jährigen, weil allzu beliebig. Auch „Save Your Love For Me“ entwickelt durchaus musikalisches Eigenleben.

Stimme wird Posaune

Aber Dee Dees wahre Stärke liegt in der Improvisation, dem Scat, also dem Singen von rhythmisch und melodisch aneinandergereihten Silbenfolgen ohne Wortbedeutung, etwa wenn sie mit der geschmeidigen Altstimme das Quintett beim Standard „Blue Monk“ plötzlich um eine Posaune erweitert.

Die Schnulze „Besame mucho“ ist bei ihr im Dialog mit ihrem puertoricanischen Pianisten und langjährigen Begleiter Edsel Gomez fast bis zur Unkenntlichkeit dekonstruiert. Schließlich will man ihr die Hände küssen für „The Music Is The Magic“ und die Erinnerung an die wunderbare Abbey Lincoln, deren Gesangsstil so gar keinen Pomp, keine falschen Verzierungen, keinen Zuckerguss kannte. Nur kühle Melancholie.

KURIER-Wertung: *** von *****

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