Die nächste Nummer muss wieder ein Welthit werden

Das "Team Wurst": Conchita und ihr Manager René Berto: "Frau Wurst wird nie perfekt sein"
Der Manager hinter Conchita Wurst über den Weg zum Song-Contest-Sieg, die Poier-Polemik und wie es mit dem neuen Star weitergeht.

Entschleunigung – dieses Wort verwendet René Berto zurzeit gerne. Der Manager von Song-Contest-Siegerin Conchita Wurst möchte, so weit es geht, Tempo aus der Inszenierung des neuen Medienstars nehmen.

Viel Gelegenheit dazu wird es nicht geben. Am Donnerstag geht es nach London, wo die "Graham Norton Show" der BBC aufgezeichnet wird. Zu Gast im Comedy-Talk: Conchita Wurst. Dazu gebe es Interviewanfragen aus aller Welt. Das Handy läute im Sekundentakt.

Empfang am Ballhausplatz

Die nächste Nummer muss wieder ein Welthit werden
APA18297090 - 11052014 - SCHWECHAT - ÖSTERREICH: Fans warten am Sonntag 11. Mai 2014, auf die Ankunft von Eurovision Song Contest 2014 Gewinnerin Conchita Wurst am Flughafen Wien Schwechat. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Am Sonntag ist dann für kurze Zeit die heimische Politik dran: Bundeskanzler und Kulturminister geben um 17 Uhr einen Empfang in der Hofburg(ORF 2 überträgt live). Daran anschließend ist um 18 Uhr ein Konzert auf dem Ballhausplatz geplant. Denn es soll vor allem ein Empfang für die Fans sein, meint Berto – als Entschädigung dafür, dass es am Sonntagam Flughafenso hektisch zuging.

Aber wie sieht das mit der Entschleunigung aus? „Wir hatten in Kopenhagen unser eigenes Morgenritual, wo wir ganz bei uns sein konnten - das wollen wir beibehalten,“ sagt Berto, der Conchita Wurst auf Promo-Tour und in Dänemark auf Schritt und Tritt unterstützte. „Wenn man zwölf Tage lang in dieser Umgebung ist, mit dieser Lautstärke überall, dann ist das wie zwei Wochen im 'Bogi Park'. Sie hat mehr als 500 Interviews gegeben“.

Nichts sei dem Zufall überlassen worden. „Wir waren ganz stark auf diese drei Minuten fokussiert,“ erklärt Berto. „Lied, Visuals, Performance – das muss alles stimmen. Es gewinnt der, der am Schluss immer noch die meiste Energie hat.“ Und die habe Conchita besessen. Bei aller generalstabsmäßigen Planung: „Der Song Contest ist und bleibt unberechenbar.“

Poier-Kontroverse

Der Familienvater aus Wien, der aus der Musik-und Kabarettszene kommt, war bereits am ESC-Erfolg von Kabarettist Alf Poier beteiligt, der für Österreich Platz 6 holte. „Der Traum war, die Platzierung von 2003 zu schlagen,“ sagt Berto. Dass sich Poier, mit dem er Jahre lang durch Österreich gegondelt war, im Vorfeld des Wettsingens dermaßen kritisch über die bärtige Drag Queen äußerte, hat Berto Vorwürfe eingebracht, es würde sich um einen PR-Gag handeln. Berto bestreitet dies: „Ich produziere freiwilig keine Shitstorms. Dieses Interview hab ich weder in die Wege geleitet noch autorisiert.“

Er sei von Poiers Äußerungen überrascht worden, „das war illoyal und beleidigend“. Dass sich Poier am Montag für seine Wortwahl entschuldigte, habe er zu tolerieren. Alles weitere werde agenturintern besprochen. Grundsätzlich meint Berto: „Jeder hat das Recht seine Meinung zu äußern. Aber Intoleranz und Homophobie sollten heutzutage keinen Platz mehr haben.“

„Ohne diese Kontroverse wäre es aber nicht anders gelaufen“, zeigt sich der Manager überzeugt. „Im Ausland hat sie ja nie so polarisiert. Außer in Russland und ein paar anderen Ländern, stießen wir nirgendwo auf Ablehnung, waren überall willkommen.“ In Österreich aber polarisiere diese Figur, seit sie auf den Bühnen der Castingshows ist.

"Wollte immer einen Weltstar managen"

Dass die Kunstfigur vor zwei Jahren bei der österreichischen ESC-Vorausscheidung knapp gegen die Trackshittaz gescheitert war, habe sich aber sogar als Vorteil herausgestellt. Mit dem damaligen Song „That’s What I Am“ hätte man es nicht geschafft, zeigt sich Berto überzeugt. „Sie war noch nicht am Punkt – obwohl Frau Wurst nie perfekt sein wird...“

Der Glaube an den Erfolg des Konzepts habe sich ausgezahlt. "Alles hat einen tieferen Sinn, es kommt alles zurück. Ich wollte immer einen Weltstar managen. Am 6. 11. 1988 wurde Conchita geboren, im Halbfinale hatte sie die Startnummer 6, im Finale die 11. Sie trägt auch seit langem eine Meerjungfrau als Tattoo. Und wo haben wir gewonnen? In Kopenhagen." Die kleine Meerjungfrau im Hafen ist das Wahrzeichen der dänischen Hauptstadt.

Den Erfolg beim Song Contest sieht der umtriebige Manager auch darin begründet, dass Conchita Wurst ein weiter gespanntes Konzept habe. Berto: "Ihre Aussage 'We are unstoppable' wurde in Europa sogar politisch diskutiert. Wann hat es so etwas schon beim Song Contest gegeben? Nur dadurch ist das auch bei CNN so ein großes Thema geworden. Wenn man nur ein Lied hat, dann geschieht das nicht in dieser Dimension."

"Und, dass sogar ein dreifacher Formel 1-Weltmeister wie Niki Lauda jetzt seine Lektion gelernt hat" - das findet Berto ebenso großartig. Der Hintergrund: Noch vor wenigen Jahren wollte Lauda seinen Kindern kein gleichgeschlechtliches Tanzpaar bei "Dancing Stars" zumuten.

Team Wurst

Jetzt ist ein eigenes Album das große Ziel des Team Wurst. Es hätten schon einige heimische Labels wie etwa Sony Österreich angefragt, weiters gebe es Angebote aus USA und Großbritannien. Eines ist für Berto nun klar: "Die nächste Nummer muss wieder ein Welthit werden."

Der weltweite Zuspruch mache ihn aber auch demütig, sagt Berto. Daher will er nach folgendem Motto weiterarbeiten: „Think big – but keep it small. Man darf sich selbst nicht zu wichtig nehmen."

Rise Like A Phoenix‘ und Conchita Wurst stehen für eine starke Künstlerin und einen starken Song", sagte Fernsehdirektorin Kathrin Zechner, als der Song-Contest-Beitrag im ORF-Zentrum präsentiert wurde.

Wie stark, hätte sich damals niemand träumen lassen. In den heimischen iTunes-Charts rangierte "Rise Like A Phoenix" mit der Studio-Version auf Platz eins und mit der Live-Version vom ESC auf Platz fünf (Stand: 13.5., 10 Uhr).

Musik und Text des Siegertitels stammen von einem deutschen Autoren-Team bestehend aus Charly Mason, Joey Patulka, Julian Maas und Alexander Zuckowski, dem Sohn des Kinderlieder-Autors Rolf Zuckowski. Zusammen hat das Quartett Hits für Adel Tawil, Sarah Connor, aber auch die Boyband Blue und Ashley Tisdale verfasst.

Finanziell gesehen sind die vier wohl die größeren Gewinner. Denn die Songwriter, die Tantiemen beziehen, verdienen an den Radioeinsätzen eines Songs immer mehr als der Interpret.

Höchste Abgeltung

Aktuell zahlt die für die Tantiemen zuständige AKM an die Songwriter bis zu sechs Euro pro Sendeminute im Hörfunk. Wobei es aber nur für Ö3 und FM4 die höchste Abgeltung gibt. Aus Einsätzen in kleineren Privat-Sendern gibt es nur 70 Cent pro Minute. So schauten bei der 88.6-Offensive (der Sender spielte den Song vier Stunden lang) auch nur rund 170 Euro raus. Für den Einsatz des "Rise Like A Phonenix"-Videos im ORF-Fernsehen bekommen die Songwriter dafür 23 Euro pro Minute.

Conchita dagegen kassiert Lizenz-Einnahmen, muss sich als reine Interpretin mit rund 1,3 Euro pro Minute im Radio begnügen. Und die werden erst im Dezember 2015 ausbezahlt.

Welche Einnahmen über den Verkauf des Songs auf iTunes zu erwarten sind, ist vom Vertrag mit dem ORF abhängig, zu dem die Pressestelle aber keine Auskunft geben wollte.

Auch wenn aus dem ESC-Sieg nicht gleich das große Geld zurück in die österreichische Szene fließt, ist sich Thomas Rabitsch (Produzent des ESC-Beitrags von Nadine Beiler) sicher, dass der Conchita-Triumph die Szene beleben wird. "Conchitas Sieg wird eine große Signalwirkung haben, weil man auch im Ausland sieht, dass auch in Österreich Songs von internationaler Qualität produziert werden."

Selbst der Bürgermeister einer kleinen Kärntner Gemeinde gab mittlerweile eine Bewerbung ab. Der millionenschwere Song Contest sollte in der örtlichen Gemeindehalle stattfinden, 500 Zuschauer fänden Platz. Burgenlands Landeschef Hans Niessl brachte die Messehalle Oberwart ins Spiel, Gmunden bot seinen Rathausplatz an. Wird der Song Contest zur Provinzposse?

Für Häme ist bei solchen Ideen kein Platz, betonen die Offiziellen. "Das ist doch eine sympathische Euphorie", meint auch Norbert Kettner, Chef des Wien-Tourismus. "Es soll kein Match zwischen den Städten werden oder ein Gezerre. Meiner Meinung nach gehört der Song Contest aber nach Wien."

Zwei Wochen Zeit

"In den nächsten zwei Wochen werden die Minimal-Kriterien für den Veranstaltungsort festgelegt, also Hallengröße und Bettenkapazität. Dann werden wir sehen, wer infrage kommt, beziehungsweise ausgeschieden wird", erklärt ORF-Direktor Richard Grasl. Kommende Woche wird es Gespräche zwischen dem Veranstalter EBU und dem TV-Sender geben. Danach wird es dem Vernehmen nach eine offizielle Bewerbungsfrist geben. Bis Juli will sich der ORF Zeit geben, der EBU würde auch eine Nennung im September reichen‚ wird dort betont.

Auf die Rahmenvorgaben wartet auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl, wie er am Dienstag betonte. Aber frei nach einem Kaffee-Werbespruch meint der Stadtchef: "Wien – what else?"

Tatsächlich hat die Bundeshauptstadt derzeit die besten Karten in dem Match um den Austragungsort. An den geforderten 3000 Hotelbetten in der Umgebung scheitern die meisten. Und eine Halle, die zumindest einen Monat für den aufwendigen Auf- und Abbau zur Verfügung steht, haben wenige Interessenten im Angebot.

Das Thema erster Freiluft-Song-Contest scheint hingegen vom Tisch zu sein. Die ORF-Spitze hat das bereits bekräftigt, auch die Wetterexperten der Hohen Warte sind sich einig: "Wir können ein Open Air am 16. Mai nicht empfehlen, so etwas wäre nur in Spanien machbar", sagt Klimaexperte Alexander Orlik. Im Mai gibt es in Österreich – je nach Region – acht bis elf Tage mit stärkerem Regen. "Bei drei Veranstaltungen (zwei Semifinale, ein Finale, Anm.) würde statistisch zumindest eine verregnet sein." Außerdem wäre die Austragung genau rund um die Eisheiligen angesetzt.

Ein Fall für zwei

Bei einer KURIER-Online-Umfrage waren die Messehalle im Prater und die Stadthalle in Wien in Führung. Diese beiden Locations dürften tatsächlich die Nase vorne haben im Rennen um den Song Contest am 16. Mai 2015. Die Messehalle hat als Plus drei Hallen mit 16.000 Quadratmetern, allerdings gehört sie einer ausländischen Betreiberfirma, was alles etwas komplizierter machen würde. Die Stadthalle ist unter Kontrolle der Stadt, allerdings hat sie nur 9000 Quadratmeter im Angebot. Ob sich auf dieser Fläche tatsächlich alles gut ausgeht, ist umstritten. Von der Stadthalle heißt es, dass es bewältigbar sei. Zumindest zwei bereits gebuchte Veranstaltungen (James-Last-Konzert, Pferdeshow Apassionata) müssten allerdings ausquartiert oder verschoben werden.

Fix ist, dass der Song Contest auch ein Millionengeschäft ist. Laut Kettner haben die insgesamt 32.000 Besucher des Song-Contest 2013 in Malmö in Summe fast 18 Millionen Euro ausgegeben.

Diese Standorte kommen in Frage:

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