Solaris in Bregenz: Endlose Seelenweiten

Solaris in Bregenz: Endlose Seelenweiten
Kritik: Mit der Oper "Solaris" zeigt Detlev Glanert bei den Bregenzer Festspielen, dass der Weltraum auch nicht allzu lebenswert ist.

Böse ist es, dieses Universum, das uns umgibt. Ganz, ganz böse. Da kann man nicht einfach seinen Forschungen nachgehen. Nein, da wird man selbst auf der Raumstation Solaris doch glatt von seinen schlimmsten Ängsten und größten Schuldgefühlen und peinlichsten Fantasien eingeholt. So wollte es Stanislaw Lem in seinem 1961 erschienenen (auch verfilmten) Roman "Solaris". So will es auch der Komponist Detlev Glanert (Libretto: Reinhard Palm) in seiner gleichnamigen Oper, die bei der Uraufführung im Bregenzer Festspielhaus mit höflichem Applaus bedacht wurde.

Kult

Worum aber geht es in Lems von irgendjemandem irgendwann zum Kult ausgerufenen (warum eigentlich?) Science-Fiction-Story und somit auch in Glanerts Oper? Ganz einfach: Der Astronaut Kris Kelvin landet auf der Raumstation Solaris, findet dort verstörte, von Wünschen, Ängsten und Erinnerungen geplagte Kollegen vor, die einen geheimnisvollen Ozean beobachten und von "Besuchern" oder "Gästen" heimgesucht werden.

Auch Kelvin ergeht es ähnlich. Seine vor vielen Jahren aus dem Leben geschiedene Frau Harey kehrt als Projektion (?), als Wunschvorstellung (?), als Gewissen (?) wieder. Kelvin geht daraufhin durch einen an Freud gemahnenden Psycho-Prozess, an dessen Ende die Selbstauflösung im gar nicht so netten Kosmos steht.

Kunst

Komponist Detlev Glanert verpackt all das in eine sehr hörbare, aber auch hörbar auf Kunst getrimmte Musik, die sich munter aus dem Fundus der Musikgeschichte bedient. Da gibt es die brav modernen Elementen, die (viel zu kurzen) jazzigen Einschübe, die konstruierten lautmalerischen Klänge. Ein ewig vor sich hin mäanderndes Ende inklusive.

Das ist alles sehr in Ordnung. Hätte Glanert noch mehr Mut zur emotionalen Verdichtung (und auch zu Kürzungen) gehabt, könnte man sich in diesen Weiten des Alls durchaus verlieren. Auch dank der (exzellent geprobten) Wiener Symphoniker, die unter der kundigen Leitung von Markus Stenz auch ihre Kompetenz auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik beweisen.

Und auch dank der Regie von Moshe Leiser und Patrice Caurier, die in Christian Fenouillats herrlich spaciger Bühne (toll auch das Lichtdesign und die Video-Projektionen) für eine sehr kluge Verdichtung der Nicht-Handlung sorgen. Starke Bilder kompensieren hier sehr, sehr vieles. Kompliment.

Können

 Vor allem aber haben die Bregenzer Festspiele mit dem Bariton Dietrich Henschel einen wortdeutlichen, ausdrucksstarken Kelvin zur Verfügung, der auch stimmlich keine Wünsche offen lässt. Die Sopranistin Marie Arnet gibt dessen vokal leicht zerbrechliche Frau Harey; Tenor Martin Koch (gut als irrer Forscher Snaut) und der Bass Martin Winkler (als ebenso irrer Forscher Sartorius) führen ein sicheres (samt dem Philharmonischen Chor aus Prag) Ensemble an. Hier zeigen Könner, dass eine Odyssee ins All auch Spaß machen könnte.

KURIER-Wertung: **** von *****

Werk
Detlev Glanerts Oper "Solaris" basiert auf dem gleichnamigen Kult-Roman von Stanislaw Lem aus dem Jahr 1961.
 
Musik
Glanert setzt auf sehr kluge, aber auch sehr konstruierte, hörbare und hörbar intellektuelle Klänge. Mehr Mut zur Emotion wäre schön gewesen.
Regie Moshe Leiser und Patrice Caurier zaubern in Christian Fenouillats Raumstation-Bühnenbild. Herrliche, wirksame Bilder.
 
Umsetzung
Dirigent Stenz, die Wiener Symphoniker und Dietrich Henschel überzeugen.
 

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