"Auch wir sperrten daheim nie ab"

"Auch wir sperrten daheim nie ab"
Sofia Coppola über ihren Film "The Bling Ring" und die Sucht nach Glamour und Berühmtheit.

Shoppen in den Villen von Paris Hilton und Orlando Bloom: In ihrem neuen Film „The Bling Ring“ (Kinostart: Donnerstag) mit Emma Watson, erzählt die US-Filmemacherin Sofia Coppola, die für ihren vorangegangenen Film „Somewhere“ den Goldenen Löwen in Venedig erhielt, von Hollywood-Teens im Promi-Rausch. Basierend auf einer wahren Geschichte, die im US-Magazin Vanity Fair erschien, erforscht Coppola die Celebrity-Kultur Hollywoods und ihre bizarren Auswüchse.

KURIER: Frau Coppola, Sie erzählen die Geschichte einer Teenager-Clique, die nachts in Promi-Villen einbricht und Designer-Kleider stiehlt. Sind diese Jugendlichen für Sie nachvollziehbar?
Sofia Coppola: Diese Obsession mit Shopping und Outfits ist mir fremd. Aber als ich an der Geschichte arbeitete, habe ich mich gefragt, was die Teenager da wohl angetrieben hat. Und da konnte ich mich am ehesten mit dem jungen Burschen identifizieren, der einfach nur zu einer Gruppe dazugehören wollte. Mit den Mädchen konnte ich emotional viel weniger anfangen.

Sie selbst sind ja auch in einer prominenten Hollywood-Familie aufgewachsen ...
Nicht in Hollywood, sondern am Land, in Nordkalifornien. Zu meiner Zeit gab es noch kein Internet und kein Reality-TV – und dieser ganze Promi-Kult und Markenwahn existierte nicht. In meiner Highschool hatte kein Mensch eine Designer-Handtasche. Das war schon sehr anders. Es hat mich wirklich verblüfft, wie anders das Aufwachsen und die Suche nach der eigenen Identität verläuft, wenn man all diese Infos zur Verfügung hat.

Verblüffend ist auch, dass die Teenager einfach so in jede Promi-Villa hineinspazieren konnten.
Ja, das ist tatsächlich erstaunlich. Als wir in Los Angeles lebten, sperrten wir auch nie ab. Das war wohl das Gefühl einer falsch verstandenen Sicherheit. Aber Paris Hilton hat sich mittlerweile eine Sicherheitstür einbauen lassen.

Apropos Miss Hilton: Sie durften tatsächlich in Ihrer Villa drehen?
Ja, sie war unglaublich hilfreich und sehr an unserem Film interessiert. Ich konnte es selbst kaum glauben, als wir in ihrem Haus in ihrem Kleiderkasten standen. Sie hat uns alle ihre Sachen dort gelassen. Und es gibt tatsächlich die Riesenpolsterkissen mit ihrem Gesicht darauf. Paris Hilton ist eine öffentliche Person und möchte so viel Publikum wie möglich haben. Für sie ist alles Public Relation.

"Auch wir sperrten daheim nie ab"
Filmregisseurin: The Bling Ring
Sie verwenden viele Original-Designer-Stücke in Ihrem Film. Hatten Sie nicht Sorge, dass Ihr Film dadurch zu einem einzigen Product-Placement wird?
Nun, Louis Vuitton und Chanel sind eigentlich nicht daran interessiert, dass ihre Produkte in Zusammenhang mit Raub gezeigt werden. Es war also keineswegs so, dass sie sich um das Product Placement in meinem Film gerissen hätten. Im Gegenteil : Es war ein Glück, dass sie mich als Filmemacherin unterstützten und mir erlaubten, ihre Taschen und Kleider zu benutzen. Für mich sahen die echten Marken einfach authentischer aus.

Wie schätzen Sie den Promi-Kult und diese Gier auf Casting-Shows ein?
Dieses Bedürfnis nach Starruhm und Celebrity wird in unserer Kultur tatsächlich immer stärker. Es ist bizarr. Andy Warhols Idee, jeder könne für kurze Zeit berühmt sein, löst sich voll ein. Man braucht nur auf Facebook schauen: Dort scheint jeder ein Promi mit eigenem Publikum zu sein. Das ist mittlerweile offenbar Teil unseres modernen Lebens – und das interessiert mich.

Sie haben die Original-Manuskripte von Nancy Jo Sales gelesen, die für Vanity Fair die Geschichte über „The Bling Ring“ geschrieben hat und die Teenager interviewte. Was hat Sie am meisten überrascht?
Dass sie eines der Mädchen tatsächlich für eine Prominente hielt. Sie kapierte nicht, das Vanity Fair sie wegen der Raubzüge interviewte und aus keinem anderen Grund. Sie hatte offensichtlich auch keine Sekunde das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben.

Warum haben Sie sich für Emma Watson entschieden?
Ich fand sie schon immer sehr smart und sie konnte sich gut mit den anderen Schauspielern verständigen, die Laien waren.

Sie kehren in Ihren Filmen immer wieder zu jungen Menschen zurück, die sich im Übergang befinden. Auch Ihr Vater, Francis Ford Coppola, hat mit „Rumble Fish“ und „Die Out­siders“ berühmte Teen-Filme gedreht.
Ja, ich liebe dieses Genre und diese Tradition. Ich habe mir für „The Bling Ring“ auch so Teenager-Filme wie „Wut im Bauch“ und „Jeanies Clique“ angesehen.

Zeigen Sie Ihrem Vater Ihre Arbeit? Holen Sie gelegentlich seinen Rat ein?
Ja, ich zeige ihm und meinem Bruder meinen Film, bevor er ganz fertig ist. Und er hat dann immer wieder Ideen, wie man es anders machen könnte. Aber manchmal stimme ich einfach nicht mit ihm überein ... (lacht)

Erst kürzlich schrieb ein US-Journalist, dass Frauen, vor allem, wenn sie aus privilegiertem Hintergrund kommen wie Sie, immer viel strenger kritisiert werden als Männer. Haben Sie das auch so erlebt?
Ich erinnere mich: Als ich mit dem Filmemachen angefangen habe, fragten mich die Leute: Hat dein Vater das Casting gemacht? Hat dir dein Ehemann geholfen? Sie schienen nicht glauben zu können, dass das tatsächlich meine Arbeit war. Aber mittlerweile habe ich doch wohl genügend viele Filme gemacht – und die Leute haben langsam kapiert, dass die von mir sind.

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