Nach „Der Idiot“ von Mieczyslaw Weinberg stand nun die Premiere einer weiteren Oper nach einem Roman von Fjodor Dostojewski auf dem Programm: „Der Spieler“ von Sergej Prokofjew, ein äußerst anspruchsvolles Werk, das sich nie wirklich durchgesetzt hat. Zunächst hatte die Oktoberrevolution eine Uraufführung in Russland verhindert. Erst 1929 war die Oper dann in überarbeiteter Form erstmals auf einer Bühne zu erleben - in Brüssel, das schon damals eines der innovativsten Theater war.
Der junge Komponist wollte mit dem "Spieler" nicht weniger, als das Opernfach neu definieren, was musikhistorisch faszinierend ist, allerdings zu einer musikalischen Überfrachtung führt. Es gibt so gut wie keine ariosen Elemente, keine Melodien, an denen man sich anhalten kann, obwohl er durchaus leitmotivisch arbeitet. Diese Oper ist ein wuchtiges Konstrukt, ein kompositorischer Kraftakt mit unzähligen musikalischen Formen, gewaltiger Power und erzählerischen Raffinessen, die aber einander überdribbeln. Das macht das Hören auch anstrengend. Wenn man sich allerdings darauf einlässt, gibt es in diesem Werk des jungen und noch ungestümen Prokofjew traumhaft schöne Passagen, einige Lyrismen und durchaus Poesie, man erkennt vor allem im zweiten Teil seine Genialität, noch dazu, wenn die Partitur so intensiv, präzise und klanglich ausgefeilt umgesetzt wird wie von den Wiener Philharmonikern. Am Pult steht der erst 30-jährige Timur Zangiev, definitiv ein Experte für das russische Fach mit großem Gestaltungswillen.
Inhaltlich geht es in dieser Oper, deren Libretto vom Komponisten selbst stammt und das auf dem gleichnamigen Roman von Dostojewski basiert, um Spielsucht, um Liebe, um Käuflichkeit derselben, um das Diktat des Geldes, um die russische Seele, um Schwermut – typisch Dostojewski also. Die zentrale Figur ist Alexej, der als Hauslehrer beim General arbeitet und so gut wie alles am Roulettetisch verspielt. Am Ende jedoch, wenn es auf dem Konto wirklich eng wird, sprengt er die Bank, indem er 20 Mal alles auf eine Farbe setzt. Rot gewinnt - ob man das auch politisch interpretieren darf, ist nicht klar. Trotz des vielen Geldes haut seine Freundin ab - wer will schon mit einem Spielsüchtigen durchs Leben gehen?
Gesungen wird erstklassig, allen voran von Sean Panikkar als Alexej, dessen Tenor kraftvoll und auch schön timbriert den ganzen Abend durchhält - er ist mehr oder weniger andauernd auf der Bühne; von Asmik Grigorian als fabelhafter Polina - was für ein Luxus für diese relativ kleine Rolle innerhalb ihres großen Repertoires; vom Bass Peixin Chen als mächtiger, General, der leidet, weil er sein Objekt der Begierde ohne Geld nicht halten kann; und von der großen Violeta Urmana als höchst dramatischer Babulenka.
Bühnenbildner George Tsypin hat die Arkaden der Felsenreitschule mit Spiegeln gefüllt, was schöne Effekte ergibt. In der Luft schweben sieben riesige Roulette-Kreiseln, die sich wie Ufos immer wieder auf die Erde herab senken und blinken wie in "Mars Attacks". Die Inszenierung stammt von Peter Sellars, ist in erster Linie eine Bebilderung und recht banal. Aber wahrscheinlich kann auch er wenig mit diesem Werk anfangen, vielleicht baut er deshalb, typisch für ihn, den Kampf gegen den Klimawandel wieder szenisch ein. Die Wand der Felsenreitschule ist teilweise bemoost, auf den Roulettetischen wächst Gras. Er versucht die Geschichte zeitgemäß zu machen, indem alle billig wirkende Kostüme tragen (nicht sehr fesch), ständig mit Handys operieren (sollte man langsam verbieten auf der Opernbühne) und ein deutsches Fürstenpaar nicht wie im Libretto verbal kompromittieren, sondern mit oranger Farbe beschütten lässt. Dabei hat sich die Letzte Generation doch soeben aufgelöst. Die arme Asmik Grigorian, einer der größten Opernstars unserer Zeit, muss in hässlichen Jeans und im T-Shirt in einer Nicht-Farbe große Teile des Abends hinten auf der Bühne sitzen, als wäre sie angeklebt.
Wir verspielen gerade unsere Zukunft, will uns Sellars mit dieser Inszenierung wohl sagen, dabei ist Geld nicht das Wichtigste. Recht hat er, und rührend und sympathisch ist sein Zugang auch. Aber wenn jedes gesungene Wort zusätzlich gestisch umgesetzt werden muss, ist das allzu kindlich-naiv.
Ob dieses Werk fürderhin Einzug in mehrere Spielpläne hält, ist zweifelhaft. Eine Großtat ist diese Realisierung durch die Festspiele aber allemal. Und besser gesungen und musiziert wird man das wohl kaum hören.
Am Ende gab es viel Applaus für dieses Ufo innerhalb der Opernliteratur.
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