So ist der "Rigoletto" in Bregenz: Bühnenspektakel zum Staunen
Kritik zu Giuseppe Verdis „Rigoletto“ in der Inszenierung von Philipp Stölzl bei den Bregenzer Festspielen (Von Helmut Christian Mayer).
18.07.19, 13:57
Was für ein monumentaler Clownkopf! Mit knapp 14 Meter beeindruckend hoch und ein technisches Wunderwerk: Beweglich in alle Richtungen, mit rollenden und schließenden Augen, einem sich öffnenden Mund mit Zähnen, einem durch Lichteinsatz verblüffend veränderbaren Gesichtsausdruck.
Und er wird als Parabel auf das Libretto sinnbildlich immer mehr demontiert: Zuerst verliert er seine Augäpfel – nachdem Rigoletto seine Gilda verloren hat –, dann die Nase und schlussendlich werden ihm auch einzelne Zähne gezogen. Und so, wenn das letal endende Spiel fortschreitet, mutiert er immer mehr zum Totenkopf. Er dient aber auch als Spielfläche: Kragen, Scheitel, Augen- und Nasenhöhlen, wie auch der Mund als „Liebesnest“.
Aber nicht nur der bühnendominante Kopf macht staunen, sondern das gesamte opulente, technische Bühnenwunderwerk bei Giuseppe Verdis „Rigoletto“, erstmalig bei den Bregenzer Festspielen, als Spektakel, wie es auf der Seebühne über Jahre noch nie zu sehen war. So sieht man seine riesige rechte Hand mit erstaunlicher Beweglichkeit: Sie ist Theaterskulptur wie auch Spielort, das Haus des Titelhelden und Brücke zum Clownkopf.
Unter ihren Fingern taucht Gilda erstmalig auf, hier schaukelt sie, trifft ihren Geliebten und hier stirbt sie. Die gigantische linke Hand umfasst einen Ballon, in dem Gilda ihr „Caro nome“ singt und damit symbolhaft in den Himmel schwebt. Aus dem Ballon heraus wird sie waghalsig entführt und mit einem Schwebeseil heruntergeholt.
Philipp Stölzl, bekannt für seine nicht gerade zurückhaltenden Operninszenierungen, aber auch als Filmregisseur (etwa “Der Medicus“), hat dieses Wunderwerk als Bühnenbildner gemeinsam mit Heike Vollmer erdacht. Er arbeitet auch sonst mit vielen Symbolen, befüllt es mit spektakulären Szenen und vibrierendem Leben.
Unglaublicher Zirkus
Er siedelt die Story grotesk, bunt und grell im Zirkusmilieu an. Der Herzog ist ausstaffiert wie ein Zirkusdirektor mit Peitsche, sein Hofstaat sind Artisten, teils mit Affen- und anderen Tierköpfen. Aber die Konzeption wird nicht zum Selbstzweck, sondern geht auf. Spektakulär sind auch die vielen sensationellen Stuntszenen (Wired Aerial Theatre). Aber es gelingen dem deutschen Regisseur auch Momente eines intimen Kammerspiels.
Stephen Costello singt den Herzog mit schmelzigem Tenor und müheloser Höhe, bei dessen Gassenhauer „La donna è mobile“ Frauen mit unzähligen Brüsten ziemlich plakativ zappelnd herumschweben. Vladimir Stoyanov in der Titelrolle im Clownkostüm singt mit kernigem Bariton.
Melissa Pétit als seine sehr kindlich gezeigte Tochter Gilda singt sie mit glasklarer Höhe und flexiblen Koloraturen. Katrin Wundsam ist eine dunkelgefärbte Maddalena, die Sparafucile anfänglich als Zielscheibe für seiner Messerwürfe verwendet. Dieser wird von Miklós Sebestyén sehr profund gesungen. Auch die kleineren Rollen, der Prager und Bregenzer Festspielchor überzeugen.
Verdis Musik ist bei den Wiener Symphonikern unter dem sehr deutlich agierenden Enrique Mazzola in besten Händen, wobei mitreißend musiziert wird. Jubel!
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