Skandalliteratur: Das ewige Spiel mit dem Tabu

Skandalliteratur: Das ewige Spiel mit dem Tabu
Egal ob "Shades of Grey", "Feuchtgebiete" oder "American Psycho". Bricht man Tabus, verkauft man Bücher. Ein kleiner Überblick über skandalisierte Bücher.

Der S/M-Soft-Erotikroman "Shades of Grey" ist im Moment in aller Munde und verkauft sich wie warme Semmeln - außer über den katholischen Weltbild-Verlag, dort wundert man sich, dass es keinen gesellschaftlichen Aufschrei gibt. In den Filialen der Buchkette ist E.L. James` Buch nicht zu finden. Das tut dem Erfolg aber keinen Abbruch. Immerhin sollen bisher ehr als 30 Millionen Stück über die physische und virtuelle Ladentheke gegangen sein – vornehmlich an Frauen.

In dem Sadomaso-Roman geht es um eine unschuldige 21-jährige Studentin und ihren dominanten wie schwerreichen Herrn Christian Grey, der vom zärtlichen "Liebe machen" so gar nichts hält. Es ist ein Roman, der regelmäßig von Kritikern zerrissen wird und doch Bestseller wie "Harry Potter" und "Der DaVinci Code" hinter sich lässt. Ein Roman, der mit dem Tabu spielt und sich wahrscheinlich deshalb so gut verkauft. So wie unzählige Werke vorher. Von "Casanova" über "Lolita" bis zu "American Psycho" - alle spielten mit dem Verbotenen. Lesen Sie hier einen kleinen Überblick über Aufreger-Bücher vergangener Jahre.

"Lolita" – Vladimir Nabokov

Bereits 1955 sorgte Vladimir Nabokov mit seinem Roman "Lolita" für Aufsehen. Der Ich-Erzähler Humbert Humbert verliebt sich in seine zwölfjährige Stieftocher Dolores – Lolita – und nimmt sie mit auf eine zweijährige Odyssee durch die USA. Offiziell als "Vater und Tochter" leben die beiden in einer zunehmend gewaltsamen sexuellen Beziehung, bis Dolores schließlich flieht. Wie viele Romanvorlagen schaffte es auch "Lolita" auf die Leinwand. 1962 unter der Regie von Stanley Kubrick und 1997 von Adrian Lyne mit Jeremy Irons in der Hauptrolle des Humbert Humbert und Dominique Swain als Dolores.

Marquis de Sade, Donatien-Alphonse-Francois

Aus Frankreich stammt der Urheber der heutigen Sado-Maso-Literatur Donatien-Alphonse-François, Marquis de Sade. Während diversen Gefängnisaufenthalten schrieb er eine Reihe pornographischer und kirchenfeindlicher Romane und berichtete aus den Untiefen seiner Phantasie und seines Lebens. Er machte sich unzählige Frauen und Mädchen sexuell gefügig, indem er sie schlug, peitschte und sonst wie dominierte. Er zwang Untergebene zu Analverkehr, lud zu Orgien und hatte öfters Gruppensex. Gestoppt wurde er erst, als er von mehreren Prostituierten angezeigt und in seiner Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Er floh und das Todesurteil wurde aufgehoben. Im Laufe seine Lebens wurde er immer wieder verhaftet und immer wieder begnadigt.

"American Psycho" – Bret Easton Ellis

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Der amerikanische Autor Bret Easton Ellis hauchte dem Wallstreet-Yuppie Patrick Bateman in seinem Buch "American Psycho" das Leben ein und ließ ihn unzählige nehmen. Auf äußerst grausame wie perverse Art und Weise mordet sich Bateman durch Obdachlose, Prostituierte und Arbeitskollegen. Bis ins kleinste recherchierte Ellis damals den "amerikanischen Albtraum" und veröffentliche sein Buch 1991. 1995 landete "American Psycho" auf dem deutschen Index und durfte sechs Jahre nur unter der Ladentheke gehandelt werden. 2000 verkörperte Christian Bale Bateman in der Verfilmung des Romans – ohne die gewalttätigsten Szenen des Buches.

"Stille Tage in Clichy" – Henry Miller

Aber nicht nur in der Gegenwart wird mit Tabuthemen gespielt und somit die Verkäufe in die Höhe getrieben. Henry Miller ließ 1956 in seinem kurzen Roman "Stille Tage in Clichy" die beiden Pariser Bohemiens Carl und Joey ein Leben voller Exzesse leben. Kaum kommen die beiden an Geld, geben sie es schon wieder für Prostituierte und Feiern aus. Das Buch wurde 1970 und 1990 verfilmt, wobei die erste Verfilmung von Jens Jorgen Thorsen wegen seiner Freizügigkeit mit Pornographie verglichen wurde und in Frankreich nicht aufgeführt werden durfte.

"Feuchtgebiete" - Charlotte Roche

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2008 sorgte Charlotte Roche mit ihren "Feuchtgebiete" für Aufsehen in der deutschsprachigen Literaturwelt. Die Geschichte um die 18-jährige Helen Memel, die in einem Krankenhaus wegen einer Analfissur behandelt wird, besticht vor allem durch den expliziten und provokanten Umgang mit Themen wie Sexualität und Ekel. Kaum ein Tabuthema lässt Roche aus – von Inzestgedanken bis hin zu Mukophagie ("Körperausscheidungsrecyclerin") kommt alles vor. Der Roman avancierte zum Bestseller des Jahres 2008 und stand mit mehr als 1,3 Millionen verkauften Exemplaren über sieben Monate an der Spitze der Literaturcharts.

"Bitterfotze" – Maria Sveland

Ein Jahr nach "Feuchtgebiete" beschrieb Maria Sveland in ihrem Buch "Bitterfotze" das Leben einer berufstätigen jungen Mutter, die bereits mit dreißig "bitterfotzig" ist. Eigentlich geht es um die Gleichberechtigung von Mann und Frau, ein bisschen Sex darf da natürlich auch nicht fehlen. Mit dieser Melange wurde "Bitterfotze" in Schweden gleichermaßen ein Skandalbuch und Bestseller.

"Esra" – Maxim Biller

Nicht nur die Popliteratur, sondern auch die höhere darf sich mit Skandalen schmücken. Ein Beispiel dafür ist das Buch "Esra" von Maxim Biller, das jahrelang die deutschen Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht beschäftigte. Biller beschrieb in dem Roman sexuelle Handlungen und weitere intime Details, in denen sich eine Ex-Freundin wiedererkannte und dagegen klagte. Daraufhin entbrannte eine Diskussion darüber, was Literatur darf und inwieweit Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechte miteinander vereinbar seien. Inzwischen gibt es auch Sekundärliteratur über den Fall und ein Theaterstück "Der Fall Esra".

"Elementarteilchen" – Michel Houellebecq

Zwei Brüder und eine egoistische, sexbesessene Mutter. Das sind die Zutaten in Michel Houellebecqs Roman "Elementarteilchen". Während Bruno selbst zu einem sexmanischen Opfer wird, versucht sein Bruder Michel als Molekularbiologe das unsterbliche geschlechtslose menschliche Lebewesen zu klonen. Skandalträchtiger Lesestoff.

"Axolotl Roadkill" – Helene Hegemann

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2010 schockierte Helene Hegemann mit ihrem Buch "Axolotl Roadkill" gleich auf mehrere Arten die Leser. Unter anderem weil eine Sechsjährige "bei vollem Bewusstsein gleichzeitig mit kochendem Schwefel die Netzhaut ausgebrannt und irgendein Schwanz in den Arsch gerammt wird, und danach verblutet sie halt mit weit geöffneten Augen auf einem Parkplatz". Von den Kritikern hoch gelobt, tauchten kurz nach der Veröffentlichung Vorwürfe auf, die damals 18-jährige hätte Teile der Geschichte plagiiert.

„Die Leiden des jungen Werthers“ – Johann Wolfgang von Goethe

Aus heutiger Sicht wenig skandalös, sorgte Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" 1774 trotzdem für ordentliche Diskussionsgrundlage. Die Geschichte des liebestollen jungen Mannes, der an der Liebe zu einer vergebenen Frau zerbricht, sorgte damals für eine regelrechte Selbstmordwelle unter jungen Männern, denen es wie der Hauptfigur erging. Der Schlüsselroman des Sturm und Drang polarisierte und entfachte eine Debatte um "gefährliche" und "falsche" Literatur.

"Gefährliche Liebschaften" - François Choderlos de Laclos

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Paris ist weithin bekannt als die Stadt der Liebe, deshalb darf natürlich auch in Frankreich die Skandalliteratur nicht fehlen. Besonders das Hauptwerk der französischen Literatur des 18. Jahrhunderts gehört zu dieser Gattung. François Choderlos de Laclos schrieb 1782 mit seinem Briefroman "Gefährliche Liebschaften" eine Geschichte, die sich nur um Liebe und Sex zwischen den Adeligen und Angehörigen der Pariser Gesellschaft dreht. Der Stoff verkauft sich noch heute gut, bisher wurden nicht weniger als acht Kinofilme gedreht.

"Haus der Löcher" – Nicholson Baker

Eines der aktuellsten Skandalbücher ist "Haus der Löcher" des amerikanischen Autors Nicholson Baker. Mit einer überragenden Phantasie karikiert er die Pornoindustrie inmitten der amerikanischen Prüderie. Er beschreibt darin ein surreales Sex-Paradies mit "Peniswaschanlage", "Stöhnzimmer", und einzeln umherirrenden Körperteilen. Das Buch sei sogar ein Tabubruch für die Pornoindustrie, sagen manche.

"Casanova"

Im 19. Jahrhundert tauchte die Figur des Casanovas erstmals in schriftlicher Form auf. Die Figur Casanova gab es tatsächlich, er lebte zwischen 1725-1789. Er war ein venezianischer Schriftsteller, Abenteurer und vor allem ein Mensch, der sich nicht an moralische oder sexuelle Normen hielt. Somit erzählen die Geschichten des Casanovas vor allem seine hedonistischen Erlebnisse.

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