"Sisters & Brothers" im Lentos: Immer diese Verwandtschaft
Geschwister sind prägend. Mal ist das Verständnis zur Schwester blind, mal die Beziehung zum Bruder kompliziert und voller Konflikte, in denen es mal um viel, mal um sehr wenig geht. Es gibt dabei zahlreiche Missverständnisse, viele Meinungsverschiedenheiten und niemals Gerechtigkeit, da können sich die Eltern noch so anstrengen: „Mama, warum habe ich so wenig und er/sie so viel … Das ist sooo unfair!“
Dass einer der intensivsten und oft auch längsten zwischenmenschlichen Verbindung im Leben eines Menschen – der Geschwisterbeziehung – in der wissenschaftlichen Forschung bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, ist durchaus verwunderlich – eine Wissenslücke, von der auch die Kunstgeschichte betroffen ist.
Sieben Kapitel
Nun bringt aber eine im Kunstmuseum Lentos in Linz zu sehende Ausstellung etwas Licht ins Dunkel. Denn die mit „Sisters & Brothers“ betitelte Schau greift das Thema in rund 120 Werken sehr facettenreich auf.
Dafür reisen die Besucherinnen und Besucher erst einmal zurück ins 16. Jahrhundert: Im ersten von insgesamt sieben Kapiteln geht es um „Geschwister in der Mythologie“, in denen auch die blutigen Geschichten von den Brüdern Kain und Abel bzw. Romulus und Remus ihre Erwähnung finden. Das zweite Kapitel beschäftigt sich dann mit der Entdeckung der „Geschwisterliebe“ in der Romantik, nachdem Geschwisterdarstellungen zuvor hauptsächlich Repräsentationszwecken gedient hatten.
Mit der Verbürgerlichung hält die Idealisierung der Kleinfamilie Einzug in die Kunst. Diese idyllischen Geschwisterdarstellungen haben mit Beginn des Ersten Weltkriegs aber (vorerst) ausgedient. Der Bruder oder die Schwester werden zunehmend als Beschützer inszeniert. Diese Bilder wurden dann auch von den Nationalsozialisten für Propagandazwecke missbraucht.
Gezeigt werden tüchtige Geschwister, eingebettet in einer heilen Welt. Stellvertretend dafür wird in der Ausstellung das Bild „Geschwister“ (1936) des österreichischen Malers Reyl-Hanisch gezeigt. Zu sehen sind aber auch Werke von Egon Schiele, Margret Bilger, Nicholas Nixon oder Cindy Sherman. Die beiden Letzteren haben sich in ihren Arbeiten auch kritisch mit dem Thema auseinandergesetzt. So inszenierte etwa Sherman eine harmonische Schwestern-Beziehung und schlüpfte dafür in mehrere Rollen. Damit treibt sie das Klischee der „perfekten Familie“ auf die Spitze, um es zu entlarven.
Die Ausstellung wurde von Nicole Fritz, Direktorin der Kunsthalle Tübingen, entwickelt und unter der Leitung von Co-Kuratorin Elisabeth Nowak-Thaller durch zahlreiche Stücke der Linzer Kunstmuseen erweitert. Nach „Rabenmütter“ (2015) und „Kindheit“ (2021) kann man „Sisters & Brothers“ auch als logische Fortsetzung einer Reihe von Ausstellungen bezeichnen, in denen sich das Lentos mit grundsätzlichen Fragen des Menschseins auseinandersetzt.
Die Ausstellung ist noch bis 17. September im Lentos zu sehen.
„Summer of Brothers & Sisters“: TV-Schwerunkt auf Arte
Mal unzertrennlich, nicht selten ambivalent und manchmal hoffnungslos zerstritten: Die Beziehungen unter Geschwistern sind komplex. Berühmte Schwestern und Brüder bilden dabei keine Ausnahme, wie der Sommer-Schwerpunkt auf Arte zeigt. Zum Auftakt rücken die Brüder Angus und Malcolm ( 2014) Young in den Fokus, die 1973 die Band AC/DC gründeten. Nach der Doku „Forever Young“ gibt es ab 22.50 einen Mitschnitt ihrer drei Konzerte in Buenos Aires (2009). Bis 20. 8. werden immer freitags und sonntags im TV u. a. die Beziehungen von Beyoncé und Solange Knowles, des Versace- und Fonda-Clans, der Williams-Schwestern (Tennis), Gallagher-Brüder (Oasis) und des Gibb-Trios (Bee Gees) beleuchtet. Darüber hinaus rollt eine neue Dokumentation den Konflikt des wohl medial präsentesten Brüderpaars der Jetztzeit auf: „Harry vs. William - Der royale Bruderzwist“.
Schließlich widmet sich der „Summer of Brothers & Sisters“ auch zwei großen amerikanischen Dynastien: Der Dokumentarfilm „Vier Brüder, fünf Schwestern. Die Kennedys“ beleuchtet insbesondere das Schicksal der Schwestern des Kennedy-Clans, die stets im Schatten ihrer Brüder standen. Natürlich dürfen in diesem Schwerpunkt auch ikonische „Brother & Sister“-Filme nicht fehlen, darunter der Kultfilm „Rain Man“ mit Dustin Hoffmann, der Klassiker „Blues Brothers“ und „Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa“ mit Johnny Depp und dem jungen Leonardo DiCaprio.
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