Sinn stiften, Sintflut vermeiden: Auf dem Weg zum grünen Museum
Der Goldene Löwe der Venedig-Biennale war an eine Installation zum Thema Klimawandel gegangen. Doch Ende November, kurz vor Ende der von rund 600.000 Kulturtouristen besuchten Veranstaltung, stand dort, wo an den Eröffnungstagen noch Wein getrunken wurde, das Wasser.
Mittlerweile wird offen gefragt, ob Kunstveranstaltungen wie die Biennale weitermachen können wie bisher – und ob nicht manche der Kuratoren, Sammler und Museumsdirektoren, die zu derlei Gipfeltreffen der Branche um die Welt jetten, besser zu Hause bleiben sollten.
Freilich nimmt sich der Schadstoffausstoß der Kunstwelt im Vergleich mit jenem der Schwerindustrie noch bescheiden aus. Doch er ist nicht zu vernachlässigen: Ausstellungen und Kunstmessen bedingen eine Vielzahl von Transporten und temporären Bauten; Kunstwerke müssen unter geregelten Klimabedingungen verpackt und präsentiert werden, und das Fachpersonal wie auch das Publikum legt im Dienste der Kunst viele Flugkilometer zurück. Da tut sich schnell eine Kluft zu der besonderen Sensibilität für die drängenden Fragen der Gesellschaft auf, die die Szene gern für sich beansprucht.
Vorbildwirkung
„Museen sind öffentliche Einrichtungen, die Vorbildwirkung übernehmen, und sie sind auch Werteproduzenten“, sagt Bettina Leidl. Die Direktorin des KunstHausWien übernahm vor kurzem die Präsidentschaft für den Österreich-Ableger des internationalen Museumsverbands ICOM. Dabei hat sich Leidl vorgenommen, das Thema des nachhaltigen Museumsmanagements sowohl auf österreichischer wie auch auf internationaler Ebene voranzutreiben. ICOM-Leitfäden sind die harte Währung der Branche, sie fließen in Anweisungen und Gesetzestexte ein – doch es braucht auch lange, bis sie erstellt und ratifizert werden.
Leidl hat in ihrer eigenen Institution bereits Vorarbeit geleistet: 2018 erhielt der Ausstellungsbetrieb als erster seiner Art das Österreichische Umweltzeichen. Gemeinsam mit ICOM Österreich, dem Österreichischen Museumsbund und dem Österreichischen Ökologieinstitut hatte Leidls Team zuvor daran gearbeitet, dass das Zertifikat – symbolisiert durch das von Friedensreich Hundertwasser ersonnene Logo – überhaupt auf Museumsbetriebe angewendet werden konnte. Sie werden nun als Untergruppe in der Richtlinie zur Tourismus- und Freizeitwirtschaft geführt.
Neben Kritierien, die auch für Hotels und Gastronomie gelten – etwa dem Einsatz von Ökostrom und effizienter Wärmedämmung – haben Museen zusätzlich etwa beim Ausstellungsbau auf die Wiederverwendbarkeit von Stellwänden zu achten. Sie sollen Verpackungen beim Transport minimieren und bei der Lagerung „den Einsatz der nötigen Chemikalien und Hilfsstoffe (...)minimieren“.
Gerade Letzteres ist leichter postuliert als umgesetzt – ist doch Schädlingsbefall in Museumsdepots ein großes Thema. Und Leihgeber wichtiger Kunstwerke bestehen, Nachhaltigkeit hin oder her, oft auf strenge Standards bei Transport und Präsentation ihrer Preziosen.
Klimanotstand
Dennoch können ökologische Fragen heute nicht mehr als Nebensächlichkeiten vom Tisch gewischt werden. Inspiriert von der Ausstellung des umweltbewussten Kunststars Olafur Eliasson (noch bis 5.1.) riefen die Chefs der Londoner Tate-Galerien vergangenen Juli den Klimanotstand aus und gelobten, verantwortungsvoller zu handeln – die Reduktion des CO2-Fußabdrucks um 10 Prozent bis 2023 sei ein erster Schritt.
In Deutschland initiierte das Magazin Monopol jüngst einen offenen Brief an Kulturministerin Monika Grütters. Das von Museumschefs und Kunstschaffenden unterzeichnete Dokument fordert eine „zentrale Taskforce, die sich einzig den klimapolitischen Herausforderungen in Museen und öffentlichen Ausstellungshäusern widmet“. Sie solle „Museen beraten, mit ihnen konkrete Ziele formulieren und einen Maßnahmenkatalog für einen nachhaltigeren öffentlichen Kunstbetrieb erarbeiten.“
Österreich habe hier bereits Erfahrungen gesammelt und könne Wissen weitergeben, sagt Bettina Leidl. Doch auch hier zulande geht der Prozess derzeit über freiwillige Selbstverpflichtungen nicht hinaus. Mittelfristig, so die ICOM-Österreich-Chefin, wird bereits diskutiert, dass Institutionen, die öffentliche Förderungen erhalten, konkrete Vorgaben zum ökologischen Handeln erfüllen sollen.
„Zukunftsfit“
Was Österreichs Bundesmuseen angeht, so obliegt das Management der großen Wiener Gebäude der Burghauptmannschaft. Auf KURIER-Anfrage heißt es dort, man habe „klimaschutztechnische Verbesserungen im Einklang mit denkmalpflegerischen Grundsätzen veranlasst“ und werde diese fortsetzen: „Die historischen Museumsbauten können baulich derzeit als zukunftsfit bezeichnet werden.“ Die Betriebsführung sei jedoch Sache der Museumschefs. Wie Karola Kraus (mumok) und Christoph Thun-Hohenstein (MAK) dem KURIER versichern, wird auch auf dieser Ebene intensiv diskutiert.
Den touristischen Zustrom und das Angebot an zugkräftigen Ausstellungen will aber niemand drosseln. „Trotz allem ökologischen Engagement können Museen auch in Zukunft nicht auf internationale Leihgaben verzichten, das wäre der falsche Ansatz“, sagt Bettina Leidl. „Museen können einen Betrag zum Klimaschutz leisten. Um die Klimakrise jedoch abzuwenden, braucht es eine engagierte, mutige Politik.“
Info: Ausstellungen und Initiativen
Die Tate Modern in London zeigt noch bis 5.1.2020 eine Werkschau des Öko-Künstlers Olafur Eliasson. Ebenfalls noch bis 5. Jänner sind in Klagenfurt zwei Ausstellungen, die als Begleitprogramm zum Stadion-Projekt „For Forest“ konzipiert wurden, zu sehen: „Touch Wood“ läuft im Museum Moderner Kunst Kärnten und in der Stadtgalerie.
2020 widmet sich die von Architektur-Vordenker Rem Koolhaas konzipierte Schau „Countryside – the Future“ im New Yorker Guggenheim Museum (ab 16.2.) akuten Fragen. Das Kunsthaus Wien hat für Herbst unter dem Titel „Nach uns die Sintflut“ eine Schau aktueller Kunst geplant, die sich mit Auswirkungen des Klimawandels befasst (ab 16.9.)
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