Klimawandel als Kulturkiller

136 von 700 UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten sind betroffen.

Der Klimawandel bekommt ein Gesicht. Es ist ein bekanntes, einprägsames; eines, das jeder kennt: Eines, das aussieht, wie der Markusplatz, der im Meer versinkt, oder wie der London Tower, der im Meer versinkt, oder wie die Freiheitsstatue, die im Meere versinkt.

Klimawandel als Kulturkiller
"Es gibt Einige, für die es jetzt schon zu spät ist. Pisa beispielsweise und die norddeutschen Hansestädte Stralsund, Wismar und Lübeck", sagt Ben Marzeion. Der Wissenschaftler vom Institut für Meteorologie und Geodynamik der Universität Innsbruck hat gemeinsam mit Kollegen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ermittelt, dass zahlreiche der berühmten UNESCO-Weltkulturerbe-Denkmäler vom Klimawandel bedroht sind.

Sicher betroffen

"40 Stätten sind sicher betroffen, selbst, wenn es keinen weiteren Temperatur-Anstieg mehr gibt", sagt er und erklärt: "Wir halten derzeit bei plus 0,8 Grad gegenüber der vorindustriellen Ära." Weil der Meeresspiegel relativ langsam reagiert, geht Marzeion von einem Anstieg aus – selbst, wenn die Temperatur nicht weiter steigt. "Da wird man sich was überlegen müssen, wie man diese Kulturstätten schützt."

Die meisten Menschen denken, wenn sie Klimawandel hören, über ökologische und ökonomische Auswirkungen nach. Was macht das mit der Natur, und was wird uns das kosten? Marzeion wollte den Blickwinkel ändern und schauen, welche kulturellen Auswirkungen uns drohen. Was der steigende Meeresspiegel für unser Weltkulturerbe bedeutet, macht das Thema richtig plakativ: Insgesamt umfasst die UNESCO-Liste des Welterbes mehr als 700 Kulturdenkmäler.

Für die Studie, die in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht wurde, haben die Forscher den zu erwartenden Meeresspiegelanstieg für einen Zeitraum von 2000 Jahren am Computer modelliert. Und auch in die Vergangenheit geschaut. Marzeion: "In der letzten Warmzeit vor etwa 100.000 Jahren war der Meeresspiegel schon mal fünf bis acht Meter höher." Die Berechnung ergab: Nimmt die globale Durchschnittstemperatur auf der Erde um ein Grad Celsius zu, sind weltweit 40 Kulturstätten unmittelbar vom Wasser bedroht. Steigt die Temperatur um drei Grad, dann ist etwa ein Fünftel des Weltkulturerbes langfristig gefährdet.

"136 Standorte würden dann auf lange Sicht unter dem Meeresspiegel liegen", sagt Marzeion. "Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass Gezeiten und Sturmfluten schon sehr viel früher Folgen für diese Kulturstätten haben könnten". Auf seiner Liste der betroffenen Weltkulturerbe-Stätten stehen etwa die Freiheitsstatue in New York, der Tower of London, das Opernhaus in Sydney, Mont-Saint-Michel, die archäologischen Ausgrabungen von Pompeji und Karthago, die Amalfi-Küste sowie die historischen Stadtzentren in Brügge, Neapel, Istanbul und St. Petersburg.

"Die langfristigen und gewaltigen Veränderungen an den Küsten werden auch das kulturelle Gefüge entscheidend verändern", sagt Marzeion. "Wenn wir den Klimawandel nicht begrenzen, werden die Archäologen der Zukunft einen großen Teil unseres Kulturerbes in den Meeren suchen müssen."

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