"Single Bells": Schauspielerin Johanna von Koczian gestorben
Keine Weihnachtszeit ohne die Filmhits "Single Bells" (1997) und "O Palmenbaum" (2000). Darin brillierte auch Johanna von Koczian, die die herrlich abgehobene Lilibet verkörperte. Die Schauspielerin, Sängerin und Schriftstellerin ist tot. Sie sei am Dienstag im Alter von 90 Jahren in Berlin im Kreise ihrer Familie friedlich eingeschlafen.
Schlager
Johanna von Koczian war in den 70er-Jahren mit dem Lied "Das bisschen Haushalt" berühmt geworden. In dem Schlager machte sich die gebürtige Berlinerin über das Pascha-Verhalten der Männer lustig. Die ausgebildete Sopranistin segelte auch auf der insbesondere in den 70er-Jahren starken Schlagerwelle mit. Ihre Lieder "Der Lord von Barmbeck", "Keinen Pfennig" oder "Aufsteh'n ist schön" wurden Erfolge. "Das bisschen Haushalt" überragte aber alles. Legendär wurde ihr Auftritt in der ZDF-"Hitparade", wo deren Moderator Dieter-Thomas Heck dazu die Studiotreppe kehrte.
In einer anderen Aufnahme sang von Koczian vor dem damaligen Bundeskanzler der BRD, Helmut Schmidt (SPD). Das bei Youtube abrufbare Video ist dabei entlarvend komisch. "Das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein, sagt mein Mann - wie eine Frau sich überhaupt beklagen kann, ist unbegreiflich, sagt mein Mann", singt von Koczian - und der Bundeskanzler macht einen Gesichtsausdruck, als wäre er tatsächlich in der Rolle des Manns, der solche Gedanken hat.
Fast Hollywood
In der Vita der Schauspielerin ist der Hit nur eine Station einer mehr als 60-jährigen Karriere: Am 30. Oktober 1933 in Berlin geboren, studierte sie von 1950 bis 1952 am Mozarteum Salzburg und hatte erste Engagements bei den Salzburger Festspielen, in Tübingen und Wuppertal, ehe sie am Schillertheater und am Schlosspark Theater in West-Berlin spielte. Ihre Spanne reichte von Kleist, Shakespeare und Lessing bis zu "Praxis Bülowbogen" und dem "Landarzt". Sie schrieb Bücher und moderierte Fernsehsendungen ("Erkennen Sie die Melodie?").
Kurzzeitig schien von Koczian sogar der Weg nach Hollywood offen zu stehen. Sie spielte 1959 in der internationalen Produktion "Serenade einer großen Liebe". Doch von Koczian lehnte den Ruf Hollywoods aus privaten Gründen ab. Und auch das Kapitel Kino beendete sie bald weitgehend. Die seit einigen Jahren verwitwete Mutter der Schauspielerin Alexandra von Koczian stand stattdessen für unzählige Theaterstücke auf der Bühne. Dass sie über viele Jahre eine der deutschlandweit bekanntesten Schauspielerinnen war, lag aber vor allem an ihrer Vielseitigkeit.
Sie erkannte früh Anfang der 60er-Jahre die zunehmende Bedeutung des Fernsehens und übernahm Rollen wie in der ARD-Serie "Die Stewardessen" und in beliebten Krimifilmen wie "Agatha, lass das Morden sein". Dazu schrieb sie Romane und Jugendliteratur, zwei ihrer Jugendbücher wurden in der Fernsehserie "Unterwegs nach Atlantis" verfilmt.
Einen Bühnen-Erfolg landete sie mit 77 Jahren 2010 am Kudamm-Theater, wo die ausgebildete Sopranistin in der Komödie "Glorious!" die "schlechteste Opernsängerin der Welt" spielte. Das Publikum lachte Tränen, als sich von Koczian durch die großen Arien quäkte. "Es ist, des Ohren Leid, des Zwerchfells Freud, schlicht zum auf den Sesseln kringeln", fand die "Berliner Morgenpost". Für das Solo "Oskar und die Dame in Rosa" wurde die Schauspielerin zuvor mit dem Theaterpreis Goldener Vorhang geehrt. Damit schloss sich ein Kreis: Am Kurfürstendamm spielte von Koczian, die auch am Residenztheater in München und am Wiener Theater in der Josefstadt engagiert war, 400 Mal "Die Kaktusblüte".
In der frühen Bundesrepublik Deutschland wurde die Tochter eines österreichischen k.u.k. Rittmeisters von manchen als "deutsche Audrey Hepburn" gehandelt. Ihre Filmkarriere begann sie 1957 mit dem Farbfilm-Remake der Komödie "Viktor und Viktoria". Den Durchbruch hatte sie in Kurt Hoffmanns "Wir Wunderkinder" (1958) an der Seite von Hansjörg Felmy. Dafür gab es den Bundesfilmpreis. Mit Hoffmann drehte sie auch die Dürrenmatt-Verfilmung "Die Ehe des Herrn Mississippi" (1961).
Seit einigen Jahren war es ruhig um die Künstlerin. Sie lebte zuletzt in einer Senioreneinrichtung.
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