Simon Verhoeven: „Als Mann ist man nie ganz erwachsen“
Simon Verhoeven hat ein Händchen für publikumswirksame Komödien. Mit „Willkommen bei den Hartmanns“, in der seine Mutter Senta Berger eine Hauptrolle spielt, landete er 2016 einen deutschen Kino-Hit. In seiner jüngsten Gangster-Comedy „Nightlife“ (ab 10. September auf DVD erhältlich) jagt er Elyas M’Barek und Frederick Lau durch eine wilde Berliner Nacht. Dafür erhielt der 47-jährige Regisseur eine Akademie-ROMY für bestes Drehbuch. Montag und Dienstag werden den Gewinnern im Grand Hotel Wien die ROMY-Statuetten übergeben.
KURIER: Herr Verhoeven, Sie feiern mit Ihren Filmen große Erfolge beim Publikum. Welche Bedeutung hat ein Preis wie die ROMY für Sie?
Simon Verhoeven: Die ROMY hat eine sehr besondere Bedeutung für mich, da ich mit Wien tiefverwurzelt bin. Meine halbe Familie kommt aus Wien. Ich liebe Wien, seit ich klein bin. Wir hören zu Hause in Deutschland oft österreichische Sender, einfach nur, um die Sehnsucht nach Wien zu überstehen. Insofern ist die ROMY für mich kein gewöhnlicher Preis. Ich fühle mich ihr nahe. Das beginnt schon beim Namen.
Ihr Film „Nightlife“ beginnt in einer Bar, wo Menschen schwitzen und tanzen. Diese Szene hat unter den derzeitigen Umständen fast schon so etwas wie Nostalgiewert. Wie empfinden Sie das?
Mir tun die jungen Leute schon etwas leid, dass sie darauf jetzt total verzichten sollen. Miteinander tanzen, lachen, flirten, die Hitze der Nacht, all das hört sich gerade wie ein ferner Traum an.
Sind Sie selbst ein Mensch des Nachtlebens?
Ich bin sehr gerne ausgegangen, schon von früh an. Und ich habe auch immer wieder in der Gastronomie gearbeitet. Ich habe definitiv eine Liebe und Faszination für das Nachtleben. Für die Leute. Die Versuchungen. Überraschungen. Und auch für die Abgründe.
In „Nightlife“ gibt es die Bar und es gibt Tinder. Geben Sie der analogen Form der Begegnung den Vorzug?
Auch Tinder-Dates können sicher aufregend sein. Was ich am Nachtleben aber schätze, ist eben, dass man sich wirklich gegenüber tritt. Dass es Blickkontakte gibt. Dass man einen Menschen mutig ansprechen muss, wenn man ihn kennenlernen will. Ohne Versteckspiel, wie bei Tinder. Alles ist ein wenig noch so wie früher, als die Menschen ums Feuer getanzt haben. Das Nachtleben hat was Ursprüngliches, Fundamentales.
Zwei nicht mehr ganz so junge Nachtschwärmer entwickeln plötzlich Sehnsucht nach einem bürgerlichen Leben mit Kindern. Ist Ihr Film auch eine Komödie über das späte Erwachsenwerden?
Zu jedem meiner Filme gehört anscheinend eine Reise über das Erwachsenwerden dazu. Ganz erwachsen ist man als Mensch ja eigentlich nie, besonders als Mann. Und ja, ich liebe Figuren, die totale Kindsköpfe sind, aber plötzlich in haarsträubende, ernste Situationen hineingeraten, die sie zwingen, Verantwortung zu übernehmen. Das ist nicht nur saukomisch, sondern auch berührend.
Elyas M’Barek spielt einen Barkeeper, der sich mit einer Frau verabredet – und dann geht alles schief. Zum Schluss hat er die Russenmafia auf den Fersen. Ich nehme nicht an, dass Sie selbst so ein Erlebnis hatten, aber wurden Sie von eigenen Dating-Erfahrungen inspiriert?
Ich hatte auch schon katastrophale Dates, keine Frage. Und ich hatte verrückte Begegnungen. Wilde Reisen durch die Nacht, mit Leuten, die man vorher nicht kannte. Besonders während meines Studiums in New York. Jetzt, in meinem Alter, als Papa, hält sich das natürlich alles sehr in Grenzen.
Nicholas Ofczarek verkörpert einen Wiener Strizzi, der mit Bierbauch und Bademantel im breitesten Dialekt schimpft. Haben Sie die Rolle extra für ihn geschrieben?
Niki und ich haben vor langer Zeit, mit Anfang 20, miteinander gedreht. Seitdem sind wir befreundet und ich bewundere ihn sehr als Schauspieler. Ich wollte ihm immer schon mal eine Rolle auf den Leib schreiben. In „Nightlife“ habe ich es getan. Und er rockt!
Einmal ist die Rede davon, dass der Grüne Veltliner so ein guter Wein sei. Zieht sich eine kleine österreichische Spur durch Ihren Film?
Absolut. Ein Grüner Veltliner wird bei uns zu Hause fast jeden Tag genossen. Natürlich bau ich meinen Lieblingswein auch in meine Filme ein.
Sie haben sich mit Filmen wie „Männerherzen“, „Willkommen bei den Hartmanns“ oder „Nightlife“ vor allem auf Komödien mit Massenappeal spezialisiert. Haben Sie eine besondere Affinität zur Komödie?
Habe ich wohl. Aber zunächst habe ich einfach versucht, Filme zu machen, die mir persönlich gefallen, und plötzlich sind da wahnsinnig viele Leute reingegangen. Ich sehe Komödien eher in der Tradition von Billy Wilder oder auch dem großen Alfred Polgar. Als Lustspiele über das menschliche Irren. Mit liebevollem, aber scharfen Blick auf Menschen. Was nicht heißt, dass ich nicht auch über völlig bescheuerte, anarchische Komödien wie „Die nackte Kanone“ lachen kann. Humor befreit.
Ihr Vater, Michael Verhoeven, ist Filmemacher, Ihre Mutter Senta Berger Schauspielerin. Gab es einen Moment, wo Sie etwas komplett anderes machen wollten als Ihre Eltern?
Bis zu meinem 15. Lebensjahr habe ich hochklassig Fußball gespielt. Da habe ich schon davon geträumt, Profi zu werden. Aber dann habe ich mich schwer verletzt und das Thema war schnell erledigt. Für mich war es besser so, glaube ich. Ich habe immer schon Filme machen wollen. Schon als 10-jähriger habe ich mir ständig irgendwelche Geschichten ausgedacht und Comics gezeichnet.
Haben Sie je überlegt, beispielsweise nach Wien an die Filmakademie zu gehe? Oder war immer klar, dass Sie in Amerika studieren wollen?
Für mich war es wichtig, möglichst weit weg zu kommen. Auch vom Namen meiner Eltern. Mich hat es als 18-jähriger extrem genervt, ständig auf meine Eltern angesprochen zu werden. Da war Amerika schon eine sehr gute Wahl. Und in New York Film zu studieren, ist das Aufregendste, was man sich vorstellen kann. Die Stadt selbst, die Menschen, die Begegnungen, das war die beste Filmhochschule.
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