"Sie war eine verrückte Nudel"

Maria Bill als Florence Foster Jenkins: „Sie als Lachnummer zu verkaufen, wäre zu billig. Sie war ein Phänomen“
Maria Bill über ihre Rolle als Florence Foster Jenkins, die schlechteste Sängerin der Welt

Maria Bill spielt Florence Foster Jenkins: Die Frau, die sich für eine Diva hielt. Peter Quilters Stück „Glorious“ hat am Sonntag im Wiener Volkstheater Premiere.

KURIER: Wie spielt man als gute Sängerin die schlechteste Sängerin der Welt?

Maria Bill: Wenn man musikalisch ist, kann man auch absichtlich falsch singen. Ich muss mich aber darauf konzentrieren. Das „Vorbild“ klingt schrecklich.

Wie würden Sie Florence Foster Jenkins beschreiben?

Sie glaubt, zur Diva geboren zu sein und findet unendliches Glück in der Musik, Glück, das sie weiterschenken möchte. Das ist hinreißend.

"Sie war eine verrückte Nudel"
APA9230952-3 - 30082012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - Die Schauspielerin und Sängerin Maria Bill am Dienstag, 28. August 2012, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Sie musste aber auch mit enormer Häme fertig werden.

Ja, ich frage mich, wie sie das weggesteckt hat. Das Gelächter hat sie gehört, spürte aber, dass der Applaus von Herzen kam – und konnte alles Negative ausblenden.

Ist das tapfer, wenn man sich nicht von mangelndem Talent entmutigen lässt? Oder hätte sie die ihr gegebenen Möglichkeiten besser nützen sollen? Mit Liebe zur Musik plus Geld kann man ja auch andere fördern.

Das hat sie ja auch getan, sie hat junge Talente unterstützt. Ihr Vater war absolut dagegen, dass sie als Sängerin öffentlich auftritt. Als er starb, hinterließ er ihr viel Geld. Das gab ihr die Möglichkeit, ihren Traum, ihre Illusion zu leben.

Aber die Gefahr ist groß, sie im Stück zur Karikatur werden zu lassen?

Florence Foster Jenkins als Lachnummer zu verkaufen, wäre zu billig. Sie war ein Phänomen, eine verrückte Nudel. Das Lachen konnte sie als höchste Form der Anerkennung verbuchen. Sie war glücklich und beglückte.

Erste Szenenbilder aus "Glorious!"

"Sie war eine verrückte Nudel"

FOTOPROBE: "GLORIOUS!" IM VOLKSTHEATER
"Sie war eine verrückte Nudel"

FOTOPROBE: "GLORIOUS!" IM VOLKSTHEATER
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FOTOPROBE: "GLORIOUS!" IM VOLKSTHEATER
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FOTOPROBE: "GLORIOUS!" IM VOLKSTHEATER
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FOTOPROBE: "GLORIOUS!" IM VOLKSTHEATER

Sie haben vor 30 Jahren „I mecht so gern landen“ gesungen. Spüren sie das noch manchmal?

Ja, immer wieder. Wenn man auf dem Weg ist, also mitten drin und auf der Suche, dann ist das ein nachvollziehbarer Wunsch.

Das Lied „I mecht landen“ ist so etwas wie ein modernen Wienerlied-Klassiker. Wieso ist Ihnen als Schweizerin das Wienerische so leichtgefallen?

Ich bin in einem Dorf geboren worden, in dem Kinder aus 12 Nationen lebten, und habe daher schon früh viele Sprachen gehört und spielerisch gelernt. Meine Muttersprache, Schweizerdeutsch, beherrsche ich aber immer noch perfekt. Ich sprech’ das auch mit meinem Sohn.

Die Musik ist immer ein wichtiges Standbein für Sie gewesen, Sie treten immer wieder mit Brel- und Piaf-Abenden auf.

Ja, singen möchte ich auf jeden Fall weiterhin, – ich würd’ ich mir sonst eine Lebensader kappen.

Florence Foster Jenkins ist offenbar am Gram über böse Kritiken gestorben. Wie gehen Sie mit Kritik um?

Ich lese keine Kritiken mehr. Vielleicht ist Madame Jenkins nicht an Kritiken gestorben – vielleicht war sie müde, aber glücklich.

Sie haben viele Jahre mit Ihrem Mann (Michael Schottenberg, noch bis Sommer 2015 Volkstheaterdirektor, Anm.) zusammengearbeitet. Seit 2011 sind Sie getrennt. Hat sich die Zusammenarbeit verändert? Ist es schwieriger geworden?

Inzwischen sind zwei Jahre vergangen. Jetzt kriegen wir das professionell auf die Reihe.

Haben Sie eine Idee, wer Volkstheater-Direktor werden könnte?

Nein. Ich lasse alles auf mich zukommen und werde mich neu orientieren. Die Musik ist ein Spielfeld, das mir niemand nehmen kann. Das mir extrem viel gibt. In Zeiten, die schwierig waren, konnten zum Beispiel die Brel-Chanson-Abende meiner Seele das Leben retten.

Sie war reich, sehr reich sogar. Und sie liebte die Musik. Über alle Maßen. Im Alter von 76 Jahren trat sie dann dort auf, wo sie immer hinwollte, in der New Yorker Carnegie Hall. Florence Foster-Jenkins gilt als die schlechteste Sängerin aller Zeiten; ihre Darbietungen erlangten Kultstatus – und haben ihn bis heute.

Geboren wurde Foster-Jenkins 1868 in Philadelphia; der Vater war Industrieller. Ein angestrebtes Musikstudium wurde ihr verweigert. Sie heiratete den Arzt Frank Thornton Jenkins, die Ehe wurde aber bald geschieden. Nach dem Tod ihres Vaters schwamm Florence Foster-Jenkins in Geld, von nun an nahm sie am Musikleben Philadelphias Teil, gründete und finanzierte den „Verdi-Club“ und widmete sich ganz ihrer Gesangskarriere.

Ihr erstes Konzert gab sie 1912, bald verbreitete sich ihr Ruf als „schlechteste Sängerin aller Zeiten“. Das aber machte Foster-Jenkins zum Star, zum Kult. Bei einem Foster-Jenkins-Konzert musste „man“ dabei gewesen sein. Sei es, um die Interpretin auszulachen oder auszupfeifen.

Exaltierte Diva

"Sie war eine verrückte Nudel"
Florence Foster Jenkins
Foster-Jenkins war das egal. Sie lebte ihren Traum von Singen und verhielt sich wie eine exaltierte Diva. Berühmt wurden ihre Konzerte im Ritz-Carlton-Hotel in New York City. Viele Jahre unerschütterlich an ihrer Seite: Pianist Cosmé McMoon, der nicht nach den Noten, sondern den von Foster-Jenkins mehr oder weniger per Zufall produzierten Tönen spielte.

1944 gab sie dem öffentlichen Druck nach einem großen Gala-Konzert nach – das legendäre, bis auf den letzten Platz ausverkaufte Konzert in der Carnegie Hall. Auf dem Schwarzmarkt wurden Unsummen für die Karten geboten. Ein Kritiker schrieb: Foster-Jenkins habe sich „nicht von den Absichten der Komponisten einschüchtern lassen“. Nur einen Monat später war Foster-Jenkins mit 76 tot.

Was bleibt, sind ihre Aufnahmen (auf CD und YouTube) und eines ihrer Bonmots: „Die Leute können vielleicht behaupten, dass ich nicht singen kann, aber niemand kann behaupten, dass ich nicht gesungen hätte.“ Dieser Satz steht auf ihrem Grabstein.

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