Shakespeare: Gottes kleiner Bruder

Vor 450 Jahren kam Shakespeare zur Welt. Seine Stücke sind erfolgreicher denn je.

Vor 450 Jahren, am 26. April 1564, wurde in Stratford-upon-Avon laut Kirchenregister William Shakespeare getauft. Wann er geboren wurde, ist nicht restlos geklärt. Bis heute gilt Shakespeare als der bedeutendste Dramatiker der Geschichte.

Wie populär ist Shakes­peare heute?

Enorm populär. Laut Statistik des deutschen Bühnenvereins war Shakespeare in der Saison 2011/’12 mit Abstand meist gespielter Autor im deutschsprachigen Raum (vor den Gebrüdern Grimm und Kleist): 180 Inszenierungen von 31 Stücken, insgesamt 2291 Aufführungen. In der Spielzeit davor waren es 2076. (Erfolgreichster zeitgenössischer Autor ist übrigens Daniel Glattauer auf Rang acht.)

Bei den einzelnen Stücken führt Goethes „Faust“, aber Shakespeare belegt die Plätze zwei („Sommernachtstraum“), drei („Romeo und Julia“), acht („Hamlet“) und 18 („Was ihr wollt“).

Wie viel hat Shakespeare geschrieben?

Überliefert sind 38 Dramen und 154 Sonette (also Gedichte).

Welche sind seine beliebtesten Stücke?

Weltweit ist das einerseits die tragische Liebesgeschichte „Romeo und Julia“, andererseits die von Zitaten durchtränkte Tragödie um den philosophierenden, am Leben verzweifelnden Dänenprinzen „Hamlet“ („Sein oder nicht Sein, das ist hier die Frage ...“). Ebenfalls sehr populär: Das frivole Liebes-Durcheinander namens „Sommernachtstraum“, die blutrünstige Geschichte um den Königsmörder „Macbeth“ (darf laut einem alten Aberglauben unter Theaterleuten nur als „das schottische Stück“ bezeichnet werden) oder der gnadenlose Weltuntergang in „König Lear“.

Shakespeare: Gottes kleiner Bruder

Shakespeare: Gottes kleiner Bruder

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Shakespeare: Gottes kleiner Bruder

FOTOPROBE: ROMEO UND JULIA
Shakespeare: Gottes kleiner Bruder

Copyright: Reinhard Werner Burgtheater Fotos zu…
Shakespeare: Gottes kleiner Bruder

SALZBURGER FESTSPIELE 2013: FOTOPROBE "EIN SOMMERN

Was macht Shakespeare 400 Jahre nach seinem Tod immer noch so erfolgreich?

Darüber streiten die Gelehrten. Der Anglist und Shakespeare-Experte Ernst Soudek etwa sieht das Genie Shakespeare durchaus kritisch: „Er war ein großartiger Lyriker UND Theatermacher, der die Sensationsgeilheit des Londoner Publikums seiner Zeit clever ausnützte. Heute wirken viele seiner Stücke ihrer Handlung wegen ausgesprochen ,silly‘, brutal und unrealistisch, obwohl große Regisseure und Schauspieler aus den tragischen Protagonisten noch viel herausholen können.“ Er habe tief greifende philosophische Gedanken in für die damalige Zeit plausible Handlungen verpackt.

Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann sieht das anders: „Für einen Theatermann ist Shakespeare anders als die anderen großen Dichter. Er hat nicht nur eine Welt erfunden, er hat unsere Welt erfunden. Für unsere Kultur, für unser ganzes Denken ist sein Werk so grundlegend wie die vier Evangelisten und die Relativitätstheorie. Shakespeare offenbart die Urgewalt, die das Theater haben kann und die es immer haben wird.“ Nachsatz: „Shakespeare war nach allen Regeln der Kunst ein Theaterpopulist. Heute würde man ihm vorwerfen, sich an Quoten zu orientieren.“

Wie sieht Shakespeare die Menschen?

So, wie sie sind: Bei Shakespeare verhalten sich die Figuren nicht wie Theaterpersonal, das meist nach einem streng psychologischen Bauplan handelt. Sondern unlogisch – so wie echte Menschen auch. Der brillante Shakespeare-Schauspieler Gert Voss drückte das dem KURIER gegenüber so aus: „Man lernt, dass der Mensch das Unberechenbarste ist, was es gibt. Der Mensch ist wie ein Vulkan, in dessen Inneren Dinge schlummern, von denen man kaum eine Ahnung hat. Ich kenne keinen anderen Autor, der so radikal Auskunft gibt über den Menschen. Das Großartige ist, dass er so vollkommen unpsychologisch und unnaturalistisch schreibt. Der Shakespeare schert sich einen Dreck darum, ob etwas wahrscheinlich ist.“ Shakespeare ist sozusagen „Gottes kleiner Bruder“, der echte Menschen erschafft.

War Shakespeare überhaupt Shakespeare?

Ein uralter Streit: Eine Gruppe von Wissenschaftlern – die „Antistratfordianer“ – sagt, ein Mann vom englischen Land mit Grundschulbildung hätte nie solch ein Universum an Gedanken schaffen können. War „Shakespeare“ nur ein Pseudonym für andere Autoren, etwa Sir Francis Bacon? Die Mehrheit der Wissenschaftler zweifelt jedoch die Urheberschaft Shakespeares nicht an. Seine Sprache ist zwar ungewöhnlich reichhaltig – sein Wortschatz umfasst etwa 18.000 Wörter und reicht von der Gossensprache bis zu höfischer Ausdrucksweise – aber Shakespeares Bildung könnte für seine Werke durchaus ausgereicht haben. Zumal er, wie fast alle Dramatiker, auf ältere Stoffe zurückgriff.

Wo kann man derzeit Shakespeare sehen?

Das Shakespeare-Jahr findet derzeit erstaunlich wenig Widerhall. Das Burgtheater brachte vor wenigen Tagen einen neuen „König Lear“ mit Klaus Maria Brandauer heraus. Und das kleine „Theater Scala“ spielt ab 11. Jänner „Wie es euch gefällt“, Regie führt der Shakespeare-Fachmann Bruno Max.

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