KURIER: Was ist die Thematik der dritten Staffel?
Elisabeth Moss: Für June ist es die Entdeckung der eigenen Stärke. Sie wurde eine von ihnen, damit sie sie schlagen kann. Sie ist jetzt cooler, mutiger, smarter. Sie hat einen Plan, dort hinzutreffen, wo es weh tut. Und sie lässt sich von nichts und niemandem von ihrem Vorhaben abbringen. Sie ist nicht mehr die Person, die sie war, als man sie gefangen hat. Aber man sieht auch, wie dieses System, diese Welt einen Menschen verändern kann.
Wie bleibt eine Rolle nach Jahren noch frisch für einen Schauspieler?
Das wäre ein Problem, wenn wir keine guten Autoren hätten. Ich weiß von Kollegen in anderen Serien, dass sie nach einigen Jahren das Gefühl haben, sie würden am Fließband arbeiten. Ich habe diese Erfahrung zum Glück noch bei keiner meiner Serien gemacht. Und als Produzentin habe ich natürlich auch mehr Einfluss auf die Entwicklung meiner eigenen Figur.
Können Sie sich vorstellen, noch drei Jahre mit dieser Serie zu verbringen?
Keine Ahnung. Wir sind jetzt beim Dreh der elften und zwölften Folge der dritten Staffel, und ich weiß ja nicht mal, wie diese enden wird. Es ist die Geschichte einer Frau und ihrer Entwicklung. Ich weiß nicht, wie lang wir das fortsetzen können. Mir gefällt, wo wir jetzt sind, weil wir dem Publikum nichts mehr erklären müssen. Wir müssen keine Figuren, keine Prämissen mehr klar machen, keine Zeit mehr damit verbringen, Gründe für eine Handlung auszubreiten, sondern wir können nun einfach handeln. Ich finde, diese Mitte, in der wir jetzt sind, extrem interessant.
Was sind die größten Momente in Ihrer Karriere?
Ich mache das jetzt seit 30 Jahren, das ist eine sehr lange Zeit. „West Wing“ war ganz sicher ein wichtiger Punkt. Da habe ich gelernt, professionell zu arbeiten, zu wissen, wo man sich hinstellt, was der Unterschied zwischen einer Nahaufnahme und einer Großaufnahme ist, und wie verschieden man da spielen muss. Und ich habe von den Kollegen gelernt, die allesamt älter waren als ich.
Was war der härteste Job?
Der härteste ist mit Sicherheit „The Handmaid’s Tale“. Nichts kommt an das heran, was ich gerade mache. Die Arbeitszeiten sind lang, die Rolle ist psychisch schwierig und gleichzeitig ist es der beste und erfüllendste Job, den ich je hatte. Diese zwei Gegensätze gehen Hand in Hand.
Haben Sie nach 30 Jahren als Schauspielerin gelernt, mit der öffentlichen Seite Ihres Berufes umzugehen?
Was ich gelernt habe ist, dass du dich nie googeln darfst. Aber das erkennt ja jeder beim ersten Mal, wenn er das tut, oder? Und wer es nicht begreift, ist selbst schuld. Was ich am öffentlichen Aspekt meiner Arbeit liebe, ist der direkte Kontakte mit Menschen. Schon bei „Mad Men“, besonders gegen Ende der Serie, sind oft Frauen auf mich zugekommen und haben gesagt: „In Ihrer Rolle als Peggy inspirieren Sie mich.“ Das finde ich wunderbar. Und auch, dass die Leute mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten. Wenn die etwas hassen, dann hassen sie es wirklich und sagen es auch.
Genau wie zuletzt „Game of Thrones“ ist auch „The Handmaid’s Tale“ schon weit über das Ende des Romans hinaus. Viele Leute waren vom Ende von GoT sehr enttäuscht. Haben Sie, weil Sie ja nun auch Produzentin Ihrer Serie sind, Bedenken, dass die Fans ähnlich reagieren könnten?
Ich kann das ja nicht wirklich beeinflussen, es ist letztlich Sache unserer Drehbuchautoren, und das ist wie bei allen Serien ein ganzes Team. Es ist deren Aufgabe, die sie auch erfüllen, auf die Reaktion der Fans zu achten. Ich gebe zu, dass wir bei jeder Staffel die ersten sechs, sieben Monate während des Drehs, wenn noch nichts ausgestrahlt wurde, in einer Art Blase leben. Erst bei der Ausstrahlung können wir die Reaktion der Zuschauer abschätzen. Und ich bin die erste, die sagt, so eine Serie gehört dem Publikum genauso wie sie den Machern gehört.
Die Serie wird immer wieder als Spiegelbild unserer Ära beschrieben, mit dem Recht auf Abtreibung, das in vielen Bundesstaaten und anderen Ländern der Welt gefährdet ist.
Ja, wir sind in einer sehr prekären Situation in Amerika, es ist angsterregend und erinnert viel zu sehr an die Welt der „Handmaid’s Tale“. Diese Phase, in der alles normal erscheint, aber unter der Oberfläche brodelt es, da gibt es Zeichen, dass die persönliche Freiheit eingeschränkt wird, dass die Menschen von einer Macht kontrolliert werden, und das ist fast genauso wie zu Beginn dieser angeblich fiktiven Serie. Ich habe ein sehr unangenehmes Gefühl im Magen, dass wir da auf eine schreckliche Welt zusteuern, eine Welt, in denen Menschen vorgeschrieben wird, was sie und was sie nicht mit ihrem Körper tun dürfen.
June geht, wie es scheint, sehr weit in der neuen Staffel, um die Rechte der Frauen zu schützen. Was tun Sie in der Realität?
Ich werde nie die Worte der Autorin Margaret Atwood vergessen: Schau auf dein Recht zu protestieren. Wenn dir das weggenommen wird, dann bist du in großer Gefahr. Und konzentriere dich nicht nur auf die Präsidentschaftswahlen, die alle vier Jahre stattfinden, sondern auf die kleinen Kommunalwahlen dazwischen. Denn das sind die kleinen Schritte, die zu großen Veränderungen führen. Die Einschränkung deiner Rechte beginnt in deinem Bezirk, nicht im Senat oder Parlament.
Kommentare