Ein Star der Neureichen
Dabei ist es schon länger her, dass der Maler mit Rembrandt und Vermeer zu den „Großen Drei“ der niederländischen Kunst gezählt wurde: Im 19. Jahrhundert, als Gemälde Alter Meister das Teuerste am Markt waren und eine neue Schicht von reichen Bürgern sich mit dem Unternehmertum des Goldenen Zeitalters der Niederlande identifizierte, hatte auch Hals Hochkonjunktur. Seine Ehrenrettung in der Moderne erledigten dann Künstler wie Vincent van Gogh, die die virtuose, leichtfüßige Art lobten, mit der Hals Farbe handhabte und dabei Leben und Atmosphäre entstehen ließ: „Dabei malte er nur Porträts, nichts als das“, schrieb van Gogh in einem Brief 1888. „Aber es ist genauso viel wert wie Michelangelo und Raffael und sogar die alten Griechen.“
Die gegenwärtige Hals-Revival-Ausstellung setzt nun voll und ganz auf die malerische Qualität – nicht was dargestellt ist, zählt, sondern das wie. Der Künstler, der im flämischen Antwerpen geboren wurde und im holländischen Haarlem wirkte, erfüllte nicht nur eine Brückenfunktion zwischen den Traditionen des katholischen Südens und des protestantischen Nordens: Er läutete auch einen Paradigmenwechsel ein, indem er statt akribischer Feinmalerei mit einem lockeren, deutlich erkennbaren Pinselstrich zu Werke ging. Böse Zeitgenossen legten ihm das übrigens als Folge von Trunksucht aus.
Tatsächlich aber ist der berauschende Effekt der, dass Hals’ Gemälde wie Schnappschüsse wirken: Der kokette Blick der jungen Beatrix von der Laen, die Hals 1622 mit ihrem Mann porträtierte, fordert heute noch so heraus wie ehedem. Der „Lautenspieler“ aus dem Louvre – ein Star der Show – scheint beim Musizieren noch genauso entzückt zu sein wie anno 1623.
Die Fokussierung der Schau auf das rein Malerische lässt allerdings vieles von dem im Schatten, was die Bilder über Repräsentationsbedürfnisse und soziale Verhältnisse zu erzählen haben.
Ellbogen-Technik
Allein die ausgestellten Ellbogen – jener des Jungpolitikers Jasper Schade (großes Bild) entpuppt sich als Quelle der vergrößerten Abstraktion am Eingang – sind ein auffälliges Zeichen, das aber mit einer Ausnahme in der Schau nur von Männern eingesetzt wird. Wer niederländische Malerei zu sehen gelernt hat, weiß auch, dass kaum ein Detail zufällig vorkommt: Handschuhe, Abzeichen, Instrumente oder Szenen im Hintergrund haben fast immer etwas zu bedeuten.
Verborgene Schichten
Erst der Katalog gibt hier Aufschluss – etwa über den Kaufmann Isaac Massa, den Hals mehrfach porträtierte – mit Hinweisen auf dessen Russland-Geschäfte, aber auch auf seine zahlreichen Neider, denen er in einem Bild (1622) mit einer arroganten Leck-mich-Pose entgegenzutreten scheint. Infrarotaufnahmen ließen Monsterfiguren im Hintergrund sichtbar werden, die Neid symbolisierten – und später übermalt wurden.
Man wüsste auch gern mehr über das Familienporträt von 1648, in dem ein schwarzes Kind inmitten Reihe steht: Laut Wandtext könnte das Werk Jacob Ruychaven zeigen, der als Gouverneur über Fort Elmina im heutigen Ghana, ein Zentrum des Sklavenhandels, wachte.
Interessant auch der Mann mit dem Spitznamen „Pekelharing“ (Salzhering), der sichtlich ein Weißer mit schwarz bemaltem Gesicht ist (erkennbar am weißen Hals): Eine „komische Theaterfigur“, die rassistische Traditionen amerikanischer Minstrel-Shows und des „Blackfacings“ vorwegnimmt.
Frans Hals malte also nicht nur Personen, er malte eine Gesellschaft. Der Fokus auf seine Technik lenkt von legitimen Fragen ab, die ein heutiges Publikum an das „Goldene Zeitalter“ stellen könnte: Vielleicht war dieses nicht ganz so gülden und gegenwärtig, wie es der freie Pinselstrich glauben macht.
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