Wer nachlesen will, wie mitreißend Seiji Ozawa über Musik sprechen konnte, dem sei das Dialog-Buch „Absolutely on music“ von Haruki Murakami (leider nur auf englisch) empfohlen. Da treffen einander der wichtigste japanische Autor und der wichtigste japanische Dirigent regelmäßig im Wohnzimmer und reden jeweils über eine Plattenaufnahme. Die Kenntnis, die Euphorie, auch die Bescheidenheit von Ozawa vermitteln sich wunderbar. Nun, am 6. Februar, hat die Platte seines Lebens ausgespielt. Und die Musikwelt trauert um einen Giganten, von denen es leider nicht mehr allzu viele gibt.
Ozawa wurde in Shenyang (China) geboren, in Tokio wollte er Pianist werden, studierte jedoch nach einem Rugby-Unfall Dirigieren und Komposition. In Japan selbst sollte er erst spät zum Star werden – er galt lange als zu westlich. Wer dann jedoch beobachten durfte, wie er bei Gastspielen der Wiener Staatsoper in Japan gefeiert wurde, erlebte hautnah, welche Rolle das österreichische Kulturgut Musik dort spielt.
Positive Energie
Ozawa studierte bei Karajan und bei Bernstein – von ihm wird er wohl etwas von der Fähigkeit, Menschen zu begeistern, mitgenommen haben. Wenige andere versprühten eine so positive Energie wie er. Musikgeschichte schrieb Ozawa als Chef von Boston Symphony – eine Position, die er fast 30 Jahre lang innehatte. Aus dieser Zeit gibt es zahlreiche Topaufnahmen. Als Gründer des Saiton Kinen Festivals ist er ebenso unvergessen wie von Auftritten in Tanglewood. Strategisch klug in Hinblick auf den asiatischen Markt war der Schachzug des damaligen Staatsopernchefs Ioan Holender, Ozawa 2002 zum Musikdirektor zu machen. Der stets freundliche, zumeist lächelnde Künstler wurde im Haus sehr geschätzt.
Mit den Philharmonikern und den Salzburger Festspielen war Ozawa seit 1966 verbunden. 2002, als man neuen Musikdirektoren der Staatsoper noch ein Neujahrskonzert übertrug, dirigierte er im Musikverein. Seine Repertoirebreite war gigantisch, vielleicht am meisten bestach er im russischen Fach. (Nicht nur) bei Mozart dirigierte er alles auswendig, bei Rezitativen verstand er nur die Musik. 2010 wurde bei ihm Krebs diagnostiziert, er kehrte gezeichnet zurück aufs Podium. Wien liebte er sehr, auch kulinarisch. Am Naschmarkt fühlte er sich fast so Zuhause wie im Konzertsaal. Der Abschied von diesem großen Musiker fällt schwer. Auch von diesem großen Menschen.
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