Schweizer Maler Franz Gertsch 92-jährig gestorben

Schweizer Maler Franz Gertsch 92-jährig gestorben
Mit großen, fotorealistischen Gemälden erlangte er den Status als einer der wichtigsten Schweizer Gegenwartskünstler

 Der Schweizer Maler und Fotorealist Franz Gertsch ist tot. Er sei am Mittwoch im hohen Alter von 92 Jahren in einem Spital "friedlich eingeschlafen", gab das nach ihm benannte Museum im schweizerischen Burgdorf bei Bern per Aussendung bekannt.

Gertsch zählt zu den bedeutendsten Schweizer Künstlern der Gegenwart. Mit seinem reichen malerischen und grafischen Werk und seinen großformatigen hyperrealistischen Porträts hat er sich international einen Namen gemacht. 2020, anlässlich des 90. Geburtstags, hatte ihm das Lentos Museum in Linz eine umfassende Werkschau gewidmet. Die Albertina, die über zahlreiche seiner großformatigen Holzschnitte verfügt, hatte ihm gemeinsam mit dem mumok zuletzt 2006 eine große Schau in Wien ausgerichtet, auch in der Überblicksschau der "80er Jahre" wurde er in Wien prominent gezeigt.

Schweizer Maler Franz Gertsch 92-jährig gestorben

Minutiöse Malerei

Geboren wurde Gertsch 1930 in Mörigen am Bielersee. Nach seiner Ausbildung in Bern machte er sich zuerst einen Namen mit Holzschnitten, Mitte der 60er-Jahre entstanden auf Fotovorlagen basierende Collagen aus eingefärbtem Papier. 1969 malte Gertsch das erste großformatige fotorealistische Bild. Es beruhte auf der Projektion eines Kleinbilddias. Bald machte Gertsch selber Fotos und übertrug die Motive in langer Arbeit, die bis zu einem Jahr dauerte, und unter Einsatz des Diaprojektors auf Baumwolltuch.

Das Übersetzen vom Banalen ins Monumentale, die Entdeckung der Bildwürdigkeit von Schnappschüssen und scheinbar beiläufigen Motiven verband Gertsch mit dem Geist der Pop Art, von dem aus er seine ganz eigene Abzweigung nahm. Das Gemälde „Huaa…!“ (1969) gilt als Gertschs eigener Heureka-Moment: Das Motiv, das den sterbenden General im Film „The Charge of the Light Brigade“ zeigt, war seinerseits schon in einem Magazin reproduziert worden, als Gertsch es ausschnitt. Das schrittweise Sich-Wegmalen von der unmittelbaren Wirklichkeit, das Sich-Ermalen einer neuen Realität bei gleichzeitiger Beibehaltung eines meisterhaft detailreichen Stils  sollte  Gertschs Praxis kennzeichnen.

Diese erlangte in den 1970er Jahren breite Aufmerksamkeit, insbesondere die documenta 5 (1972) bescherte Gertsch einen Durchbruch. Als Künstler war er in die Bohème seiner Zeit integriert, eine große Werkserie widmete er etwa der Rock-Poetin Patti Smith. Aber auch das persönliche Umfeld des Künstlers wurde in großen Bildern monumentalisiert.

Schweizer Maler Franz Gertsch 92-jährig gestorben

Gestochen scharf

In den Jahren 1986 bis 1995 entdeckte Franz Gertsch den Holzschnitt erneut für sich und entwickelte eine eigene Technik. Auch beim Stechen des Holzschnitts nutzte er Fotografien als Vorlage. Er hob Lichtpunkt um Lichtpunkt mit dem Hohleisen aus großformatigen Lindenholzplatten heraus – diese Punkte erscheinen im monochromen Druck hell. Aus einer gewissen Entfernung fügen sich die unzähligen kleinen Lichtpunkte für den Betrachter zu einer figurativen Darstellung zusammen.

Mit 77 Jahren nahm Gertsch ein neues, großes Werk in Angriff: die Darstellung der vier Jahreszeiten. Es handelte sich einmal mehr um Bilder von großen Dimensionen: „Winter“ misst 3,25 auf 4,8 Meter. Auf diesem Bild malte Gertsch erstmals Schnee.

Nach den Gemälden «Meer II», «Cima del Mar» und «Schwarzwasser» aus den Jahren 2021 und
2022 neigte sich die Schaffenskraft des Künstlers langsam dem Ende zu, heißt es in der Mitteilung des 2002 eröffneten Gertsch-Museums. "Es war ihm jedoch vergönnt, bis kurz vor seinem Ableben noch malen zu können."

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