Wer erinnert sich noch an den „Widerstandsbutton“ – ein Kreis, halb blau, halb schwarz, mit einem weißen Balken durchgestrichen?
Das Emblem, das die Gegnerinnen und Gegner der im Februar 2000 angelobten, unter Kanzler Wolfgang Schüssel geschmiedeten Regierung auf zahllosen Demos trugen, war eine Erfindung der Künstlerinnen Ingeborg Strobl und Johanna Kandl gewesen. Strobl ( 2017) war eigentlich mit hintergründigen Collagen, Kandl mit Bild-Text-Gemälden bekannt geworden, das Politische war aber beiden Werken eigen.
Zeitgenössisch
In der Sammlung der Kulturabteilung der Stadt Wien finden sich Beispiele dafür – und noch viel mehr: Mehr als 4000 Werke erwarb die Stadt im Rahmen sogenannter „Förderankäufe“ in der ersten Dekade des Jahrtausends, wie Berthold Ecker erzählt.
Ecker war ab 2003 als Referatsleiter des Kulturamts für den Ankaufsprozess zuständig, seit der Eingliederung der städtischen Kunstsammlung ins Wien Museum 2018 firmiert er als Kurator desselben. Im ebenfalls von ihm begründeten Museum auf Abruf (MUSA) neben dem Rathaus kann Ecker nun bis 17. 3. 2024 die Früchte der Epoche zeigen: Mit „Bye, bye Zuversicht“ ist der Untertitel der höchst sehenswerten Schau nicht sehr hoffnungsfroh gewählt.
Der 11. September 2001, der Irakkrieg, der Aufschwung des Populismus, dazu die Einsicht, dass die globalisierte Wirtschaft nicht nur Gewinner kennt: An vielen Stellen erstarb in den 2000er-Jahren der Glaube daran, dass es mit der Welt stetig aufwärts geht. Es wäre aber nicht Österreich – genauer: Österreichs Kunstszene – wenn man diesen Entwicklungen nicht auch mit viel Schmäh begegnet wäre.
Der Ausstellungsparcours im MUSA, den Ecker gemeinsam mit Brigitte Borchhardt-Birbaumer gestaltete, holt viele bissige Kommentare zum Polit-Geschehen aus dem Depot – darunter auch die Dokumentation von Christoph Schlingensiefs „Ausländer Raus“-Container vor der Staatsoper (2000).
Die Schau widmet sich aber auch anderen Themen – etwa dem Aufbrechen überkommener Geschlechter- und Körperbilder, das in der Kunst etwa bei Elke Sylvia Krystufek oder dem heute international erfolgreichen Duo Knebl/Scheirl groß zur Sprache kam. Das männlich geprägte Repertoire des Wiener Aktionismus wurde damals aufgemischt, mit sichtbaren Auswirkungen bis heute. Dass sich Körper, Material und Sprache dabei nie ganz trennten, zeigt Karin Frank, die den Begriff „Schleimscheißen“ als Holzschnitzerei ausführte.
Die teils von Ecker verantwortete Öffnung der Sammlung hin zu mehr Fotografie und Videokunst lässt sich in der Schau ebenso verfolgen. Daneben gilt auch der Neuausrichtung der Malerei ein Schwerpunkt. Die wirklich große Medienrevolution – die Omnipräsenz digitaler Bilder in jeder Handy-Hosentasche – klopfte in den Nuller-Jahren aber noch recht sachte an die Ateliertüren der Künstlerinnen und Künstler. Was danach kam, ist wohl Teil der nächsten Staffel dieser feinen Ausstellungsserie.
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