Schauspielerin Iris Berben: "Freude über pralle 70 Jahre"
Rund fünf Jahrzehnte steht die Schauspielerin Iris Berben bereits vor der Kamera. Mit Hunderten Kino- und Fernsehfilmen hat sie ihre Wandlungsfähigkeit bereits bewiesen. Einen neuen Beweis dafür liefern zwei neue Filme, die von ORF, ARD und ZDF aus Anlass ihres 70. Geburtstags ausgestrahlt werden: In „Mein Altweibersommer“ und „Nicht tot zu kriegen“ beweist Iris Berben einmal mehr, dass Filme, in denen Frauenfiguren im Vordergrund stehen, trotzdem – oder gerade deshalb (?) – zu Publikumserfolgen werden.
Nicht tot zu kriegen
Showgröße Simone Mankus (Iris Berben) wird von einem Stalker bedrängt. Der mürrische Ex-Cop Robert Fallner (Murathan Muslu) soll sie beschützen – was die Diva ihm nicht leicht macht. In weiteren Rollen sind u. a. Philipp Hochmair, Johannes Zeiler und Marianne Mendt zu sehen. Der TV-Krimi läuft heute (Mittwoch) um 20.15 Uhr in ORF2 sowie am Montag (10. August) um 20.15 Uhr im ZDF.
Mein Altweibersommer
Geschäftsfrau Ebba (Berben) beschließt, eine Auszeit von ihrem Leben mit Ehemann Markus (Rainer Bock) zu nehmen. Der Direktor eines Wanderzirkus’ überredet sie, in ein Bärenkostüm zu schlüpfen und in der Manege zu tanzen. Ebba fühlt sich plötzlich frei. Nächste Woche Mittwoch (12. August) um 20.15 Uhr in der ARD.
Inzwischen steht die Ausnahme-Schauspielerin wieder vor der Kamera. Für die Mini-Serie „Unter Freunden stirbt man nicht“, basierend auf dem Roman „Stockholm“ von Noa Yedlin.
Trotz ihres riesigen Arbeitspensums nimmt sich Iris Berben auch Zeit für ihr gesellschaftspolitisches Engagement. Ihr Eintreten für Toleranz und gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit hat ihr nicht nur das Bundesverdienstkreuz, sondern auch das Etikett „Deutschlands schönes Gewissen“ eingebracht. Popularität sei eine Form von positiver Macht, betonte die Schauspielerin anlässlich der Verleihung der Platin-ROMY des KURIER.
KURIER: In beiden neuen Filmen kommen kleine Details vor, die aus Ihrem persönlichen Leben gegriffen zu scheinen. Wie etwa der Sohn, dessen Vater man nicht kennt. Und in beiden Filmen steht jeweils eine Frau im Mittelpunkt, deren Anziehung auf jüngere Männer spürbar ist. Wollen Sie mit diesen Anleihen aus Ihrem wirklichen Leben signalisieren, dass Sie voll hinter den Rollen stehen?
Iris Berben: Es liegt auch eine gewisse Ironie im Umgang mit diesen Rollen. Dieses Spiel zwischen Fiktion und Realität – das ja auch nicht unbedingt immer aufgelöst wird – lässt dem Zuschauer natürlich eine ganze Reihe an Interpretationsmöglichkeiten. Im ursprünglichen Buch von Franz Dobler war die Frau in „Nicht tot zu kriegen“ eine Prostituierte. Die Regisseurin Nina Grosse hatte die Idee, diese Rolle auf eine Schauspielerin umzuschreiben. Dieser Weg, den wir da gegangen sind, wird dadurch auf spielerische Weise selbstironisch. Die Geschichte von einer Frau, die aus ihrer Zeit nicht rauskommt, hat aber auch eine tragische Seite.
Im Film „Mein Altweibersommer“ verkleidet sich die Frau, die Sie spielen, als Bär. Danach wagt sie es erst, aus dem gewohnten Leben auszubrechen. Ist die Bärenmaske eine Metapher für all jene Menschen, die erst dann wagen, den Kopf aus der Menge zu recken, wenn sie maskiert sind, oder wenn sie sich hinter Anonymität von Internet-Postings verschanzen können?
Dazu fällt mir der große Karneval im Rheinland ein, bei dem sich Menschen in Kostümen plötzlich so viel mehr erlauben – oder glauben, sich mehr erlauben zu können –, um das auszuleben, was anscheinend in ihnen steckt. Daher fand ich auch die Metapher mit dem Bärenfell eine sehr gelungene.
Sind Sie vielleicht auch deshalb Schauspielerin geworden, um quasi hinter der Maske einer Figur Gefühle ausleben zu können, die Sie unterdrücken müssen, um im sogenannten „normalen Leben“ nicht aus Ihrer Rolle zu fallen?
Ja, vielleicht ist das so. Aber das wird einem ja erst viel später bewusst. Je ernster man diesen Beruf nimmt, umso breiter wird die Facette von dem, was auch das eigene Leben ausmacht. Und ich weiß auch, dass ich heute Rollen anders umsetzen kann, als ich es noch vor Jahren konnte. Das hat mit der Erfahrung zu tun – und das hat auch mit dem Mut zum größeren Wagnis zu tun. Und ich denke, dass dieser immer gewagtere Umgang mit dem neugierigen „Ich“, das ich als Privatmensch habe, eine Erfüllung verschafft.
Es klagt sogar Meryl Streep, dass die Filmrollen immer weniger werden, je älter man als Schauspielerin wird. Sind Sie in dieser Hinsicht – wie der Titel Ihres Films andeutet – „Nicht tot zu kriegen“?
Das könnte auch mein Lebensmotto sein (lacht). Ich finde es wunderbar, dass ich diese Figuren spielen darf. Sie sind da, diese Geschichten von Frauen, die ein pralles Leben hinter sich haben. Sie sind da, die Autoren und Regisseure, die diese Geschichten erzählen wollen. Und jetzt hoffen wir, dass auch im Publikum und bei den Produzenten die Menschen da sind, die wissen und daran glauben, dass nicht nur Erlebnisse von jungen Menschen es wert sind erzählt zu werden. Diese Chancen sollten wir sehr viel mehr nutzen, denke ich. Wir sind ja leider noch weit davon entfernt, das als Normalität zu sehen.
Sie feiern jetzt Ihren 70. Geburtstag. Gibt es da bei Ihnen ein Gefühl der Beklommenheit oder herrscht die Freude vor?
Es herrscht die Freude über die prallen 70 Jahre vor, die ich durchleben durfte. Mit allem, was dazugehört. Ich bin gesund und sitze jetzt hier in Köln, weil ich einen neuen Film drehe, während ich meinen 70. Geburtstag feiere. Ich habe daher gar nicht die Zeit, resignativ über mein Alter nachzudenken oder groß zu feiern. Eigentlich ist es doch eine tolle Fügung, dass ich gerade jetzt – Corona-bedingt jetzt erst – an meinem nächsten Film arbeite. Die Zahl 70 hat bei diesem Geburtstag ja auch eine biologische Bedeutung. Daher freue mich, dass Regisseure und Regisseurinnen – darunter sehr junge Menschen und auch alte Hasen wie Dominik Graf – immer noch Lust haben, mit mir zu arbeiten. Solange das so ist, warum müsste ich da Mundwinkel entwickeln, die nach unten ziehen. Die machen so richtig alt.
Sie bekommen einen Preis für Ihren Humor und einen für Ihre Zivilcourage. Zwei auf den ersten Blick sehr widersprüchliche Preise. Lassen sich beide mit Ihrer Persönlichkeit verbinden?
Absolut. Beim Orden „Wider den tierischen Ernst“ steht ja in der Begründung, dass ich durch meinen Sinn für Humor nie das Gespür dafür verloren habe, dass man auch den Finger in die Wunden der Zeit stecken muss. Und dass man immer versuchen muss – und das gelingt einem zum Beispiel auch über den Humor und humorvolle Rollen –, dem Zuschauer nah zu bleiben. Denn nur so kann man auch etwas erreichen. Humor hat ja nichts mit Schadenfreude zu tun, sondern mit Offenheit und auch mit der Fähigkeit, über sich selber zu lachen, statt andere auszulachen. Und insofern ist das irgendwie fließend für mich, das Engagement für die Würde anderer Menschen und der Humorpreis. Beides hat ja mit Empathie für andere Menschen zu tun.
Viele Filmemacher sehen in Corona auch eine Gefahr für die Kinos. Sie fürchten, dass sich die Menschen an Streamingdienste gewöhnen und gar nicht mehr ins Kino gehen wollen.
Kinos finde ich gesellschaftspolitisch sehr wichtig. Als Aufforderung an die Menschen, sich gemeinsam in einen großen Raum zu setzen und gemeinsam eine Reise zu machen. Es gibt nicht mehr so viele Orte, an denen wir große Gefühle gemeinsam erleben können – und ich finde, das merkt man in dieser Corona-bedingten Zeit besonders stark. Wir müssen uns klar machen: Kunst und Kultur sind keine Luxusgüter, sondern notwendige Lebens- und Überlebensmittel. Und die große Leinwand erzählt uns Geschichten mit einer ganz anderen Wucht. Ich schaue mir auch Streamingdienste gerne an, aber wir müssen dem Kino momentan unsere ganze Aufmerksamkeit geben.
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