Schauspielerin Ebm: Vorstadtweib in der Josefstadt

Martina Ebm in "Vor Sonnenuntergang"
Martina Ebm über Theater, Fernsehen, Freude und Leiden - Ab Donnerstag in "Vor Sonnenuntergang" im Theater in der Josefstadt

Am Donnerstag eröffnet das Theater in der Josefstadt die neue Spielzeit mit Gerhart Hauptmanns "Vor Sonnenuntergang". Janusz Kica führt Regie, "Vorstadtweib" Martina Ebm spielt die junge Inken Peters, die einen alternden Industriellen liebt und von dessen Familie bekämpft wird. Martina Ebm erzählt, sie habe sich im Sommer intensiv in die Rolle eingelesen.

KUIER: Ist das für Sie wichtig zur Vorbereitung?

Martina Ebm: Ich wollte wissen, wie eine Beziehung zwischen junger Frau und altem Mann funktioniert. Ich habe z.B. "Tod in Venedig" gelesen oder "Lolita". Aber lustiger Weise habe ich keine Literatur gefunden, die diese Konstellation aus der Sicht der Frau erzählt. Ich bin aber auch draufgekommen, dass dieser Altersunterschied gar nicht die entscheidende Rolle spielt. Sondern dass es eine komplizierte Beziehung ist, die nicht ins klassische Muster passt.

Älterer Herr und junge Frau ist ja heute üblich, aber auch ältere Frauen mit jüngeren Partnern sind nicht mehr ungewöhnlich.

Und ich finde, es ist ja auch so egal! Es geht da um die Liebe! Und wer will der Liebe vorschreiben, wie sie gelebt werden muss? Das kann man ja gar nicht am Geschlecht oder am Alter festmachen. Das wäre ja das Gegenteil von Freiheit.

Aber wir alle sind ja …

… voll verankert in solchen Mustern, das stimmt! Aber man kann es sich bewusst machen, und sich davon befreien. Das sind dann die interessantesten Menschen: Die frei sind von Bewertungen und nicht über andere Menschen urteilen.

Heute ist das Gegenteil üblich: Man urteilt so viel und so schnell wie möglich, etwa in den sozialen Medien.

Da ist es besonders leicht, weil man es anonym machen kann. Und es passiert ja auch in Gruppenkonstruktionen, dass man leichter über andere urteilt. Viele fühlen sich in Gruppen wohler.

Sie selbst auch?

Ich mag die Gruppendynamik und die Ensemblearbeit! Das mag ich so am Theater, wenn alle zusammenarbeiten, Technik, Schauspieler, um eine Illusion zu erzeugen. Wie bei einer Gruppe von Kleinkriminellen, die gemeinsam Taschendiebstahl betreiben – jeder weiß, was er zu tun hat. Es ist wie eine Kette, und jeder muss dem anderen vertrauen. Was ja gar nicht leicht ist.

Sie spielen in der ORF-Serie "Vorstadtweiber", die auch in Deutschland Erfolg hat.

Wir haben schon begonnen, die zweite Staffel zu drehen!

Und angeblich ist eine dritte schon sicher. Haben Sie mit dem großen Erfolg gerechnet?

Ich mochte die Bücher sofort, den Humor, das Berührende, ich hatte so eine Ahnung, dass das gut ankommen könnte. Aber ich hatte kaum Erfahrung mit Fernsehen, daher wusste ich nicht: 900.000 Seher – ist das schlecht, ist das gut, ist das sehr gut?

Es ist sehr gut.

Ja. Aber da wusste ich damals noch nicht. Aber es ist sehr schön, eine Anerkennung, wie Applaus und Bravo auf der Bühne.

Wie lange möchten Sie sich an diese Serienrolle binden?

Das hängt davon ab, ob das Ensemble zusammenbleibt. Wir fünf Mädels, wir arbeiten wunderbar zusammen. Das macht ja den Erfolg aus: dass diese Frauen so unterschiedlich sind.

Sie haben Ihr Studium mit einer Arbeit über Stanislawski und Stanford Meisner abgeschlossen. Stanislawski steht für extremen Naturalismus im Schauspiel. Ist das Ihr Zugang? Method acting? Also die größtmögliche Realitätsnähe?

Damals war es noch nicht mein Zugang. Aber jetzt merke ich immer mehr, dass es mir hilft. Ich komme darauf, dass ich über Emotionen in die Rolle hineinkomme. Das hat mir Janusz Kica jetzt alles weggenommen, denn er sagt: Man muss situativ denken und kommt damit in die Rolle. Und das ist lustig, weil er meine Muster damit bricht.

Bis jetzt hatten Sie in der Josefstadt immer gute Kritiken und Erfolg.

(klopft auf Holz) Großteils ja, Gottseidank (strahlt). Ich freue mich immer so über gute Kritiken. Ein enger Freund hat mich schon gewarnt, ich müsse aufpassen, dass ich weder das Positive noch das Negative zu nah an mich heranlasse. Das ist schwierig. Ich bin kein Mensch, der den Mittelweg geht. Ich freu mich halt gern … und ich leide auch gern.

Wirklich?

Ja, das tut schon manchmal auch gut.

Method acting...

Ja! Ich weiß noch, als ich die Sabina Spielrein gespielt habe, war ich oft sehr erschöpft und hab das dann am Abend so richtig rausgelassen. Das war so befreiend! Wie ein Schrei!

Bei den Salzburger Festspielen reagierten die Bühnenmusiker beim "Jedermann" auf die Anwesenheit von FPÖ-Politikern, indem sie die "Internationale" spielten. Diese Form des Protests sorgt für Diskussionen. Haben Sie eine Meinung dazu?

Ich habe noch nicht mit Kollegen darüber geredet. Aber ich finde es wichtig, gegen extreme Strömungen aufzutreten.

Darf die Kunst sich äußern?

Ja, das macht die Kunst ja aus. Sie darf das, und eigentlich sollten es alle tun.

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