Sarah Michaela Orlovský: Es ist, was es ist, sagt die Liebe genau wie der Krieg. Ich persönlich versuche, meinen eigenen Kindern offen und ehrlich auf alle ihre Fragen über den Krieg zu antworten – emotional zu belastende Details lasse ich aber weg. Das Bilderbuch „Maulwurf und ich“ erklärt aber nichts und behandelt nicht explizit den Krieg an sich. Es erzählt ganz aus der Perspektive eines Kindes, das für (hoffentlich) kurze Zeit den Keller sein Zuhause nennen muss – und dem der Vergleich mit der Wohnsituation des Maulwurfs einen gewissen Trost bietet.
Wie sehr beeinflusst Sie beim Schreiben die Umgebung? Derzeit leben Sie Salzkammergut, waren davor in fremden Ländern wie Zambia, Armenien, Äthiopien, Rwanda …
Fremdheitserfahrungen öffnen Augen, Ohren und Herz auf eine Weise, die dem Schreiben sehr zuträglich ist. Dieser Effekt ist immer wieder wunderbar. Bisher hat sich noch auf jeder Reise ein Notizbuch wie von selbst gefüllt.
Was gefällt Ihnen am Schreiben? Warum ausgerechnet Kinder- und Jugendbücher?
Das Schreiben ist mein Ausdrucksmedium. So verarbeite ich Dinge. Alles, was ich bisher beruflich gemacht habe, war auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet. Auch das ist „meins“. Was ich an der Literatur für Kinder und Jugendliche so spannend finde, ist, sprachliche Ausdrucksformen zu finden, die der kindlichen Intelligenz gerecht werden. Gute Kinder- und Jugendliteratur sollte keine Vereinfachung sein. In meinen Augen ist sie Verdichtung, im mehrfachen Wortsinn.
Sie wurden für Ihr Buch „Eine halbe Banane und die Ordnung der Welt“ für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Dieses Buch greift das Thema Magersucht bei Kindern und Jugendlichen auf. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
Mich hat an diesem Buch vor allem die Erzählsituation gereizt: Ein Kind sitzt vor einer verschlossenen Tür und redet gegen diese an, versucht, zu jemandem durchzudringen. Ich habe nach einem Thema gesucht, das dieser Erzählsituation gerecht wird – und habe dann im nächsten Schritt versucht, dem Thema im Text gerecht zu werden. Wichtig sind mir dabei vor allem die Resilienz und kindliche Weisheit der Jüngeren, nicht die Themen der älteren Schwester.
Haben Sie in diesem Zusammenhang, im Rahmen der Arbeiten zu diesem Buch, auch mit Betroffenen oder Experten gesprochen?
Ich habe mit einer Mitarbeiterin in einer Wohngruppe für betroffene Jugendliche, mit Geschwistern von Jugendlichen mit Essstörungen gesprochen und Foren durchforstet.
Welche Rolle spielt der Glaube in Ihren Büchern?
Die Suche nach dem eigenen Glauben und einem Weg, wie ich ihn leben möchte, ist genau so wichtig wie die Suche nach den eigenen Talenten, der eigenen Sexualität, den Zielen und Werten, nach denen ich mein Leben ausrichten möchte. Ich kehre keinen dieser Aspekte unter den Geschichtenteppich, hole, glaube ich, aber auch keinen gesondert vor den Vorhang.
Vom Schreiben alleine können Sie nicht leben. Was läuft falsch? Oder anders gefragt: Was müsste anders laufen?
Einige Autorinnen können das schon. Mir ist das aber mit drei kleinen Kindern ehrlich gesagt zu riskant – und die Intensität, mit der ich Lesereisen betreiben müsste, übersteigt unsere Familien-Energie. Ein „Brotberuf“ bindet Zeit, so entstehen vielleicht weniger literarische Werke. Aber er gibt mir und meiner Familie auch Sicherheit. Was anders laufen müsste? Ich glaube, Kultur müsste einen anderen Stellenwert bekommen. Sind Bücher systemrelevant?
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