In Wien zeigt sich das etwa in der Plakatserie, für die Iveković Sonnenbrillen-Werbesujets aus Hochglanzmagazinen zweckentfremdete. Man sieht zunächst schicke Models, erkennt vielleicht das eine oder andere Gesicht wieder – und liest dann die ins Bild montierten Biografien von Frauen, die alle unter der Gewalt von Männern zu leiden hatten und in einer Hilfseinrichtung Zuflucht suchen mussten.
Auch Gipsmasken auf Sockeln, auf denen erschütternde Biografien zu lesen sind, setzen Frauen, die Opfer männlicher Gewalt wurden, ein Denkmal – es beschämt, wie sehr die Erfahrungen, die Iveković in Frauenhäusern in verschiedenen Ländern zu hören bekamen, einander gleichen. Die Wut und der Unwille, sich mit solchen Gegebenheiten abzufinden, sprüht förmlich aus Ivekovićs Arbeiten – wer die Frage „Kann Kunst etwas bewirken?“ bisher immer nur als hypothetisches Zimmerpflänzchen pflegte, kriegt hier ein „Sie kann nicht, sie muss“ vor den Latz geknallt.
Doch die von der Gastkuratorin Zenka Badinovac gestaltete Zusammenschau hat abseits der Unmittelbarkeit auch eine historische Dimension: Sie zeigt, wie Iveković ab 1974, als Teil der Bewegung „Nova umjetnička praksa“ („Neue Kunstpraxis“), Nonkonformität und feministische Anliegen unter den Bedingungen des kommunistischen Jugoslawiens umsetzte. Am schrägsten ist hier wohl die Arbeit „Trokut“ (Dreieck), die Dokumentation einer Performance, für die sich Iveković 1979 auf den Balkon ihrer Zagreber Wohnung setzte, während unten ein Konvoi mit Präsident Jozip Broz Tito vorbeifuhr. Die Künstlerin trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „America“, rauchte, trank – und tat so, als würde sie sich selbst befriedigen. Das sah ein Wachposten am Dach des gegenüberliegenden Gebäudes, den Iveković fotografisch erfasste – ebenso wie einen Polizisten auf der Straße, der kurz später an ihrer Tür erschien und sie aufforderte, den Balkon zu verlassen.
Auch den Zerfall Jugoslawiens begleitete die Künstlerin mit präzisen Arbeiten – etwa, wenn sie eine 1995 ausgestrahlte Telenovela mit den Worten „Allgemeiner Alarm Zagreb“ überblendete.
Dass es keine echte Realitätsflucht geben kann, auch wenn die schönen Oberflächen der Konsumkultur dies suggerieren, ist auch Hintergrund jener zwei vergrößerten Zeitungsausschnitte, die wie eine Klammer an zwei Enden des Saals positioniert sind: Ein Clip ist das Inserat eines Juweliers, ein anderer der Bericht über eine tödliche Explosion auf einem Markt in Sarajevo. Iveković verlangt von ihren Betrachtern oft, die Teile eines Puzzles zusammenzusetzen, das Gesamtbild erschüttert dann aber in seiner Präzision.
Es ist eine jener Ausstellungen, die man gesehen haben muss – obwohl oder gerade weil man sie nicht mit einem leichten Gefühl im Herzen verlässt.
Bis 12. März
Kommentare