Doch der Vater bleibt erschreckend kaltblütig. „Net scho wieda“, murmelt er und zieht das bewusstlose Mädchen aus dem Wasser.
Bewusstlos im wahrsten Sinne des Wortes: Es sieht zwar aus wie ein zehnjähriges Kind, ist aber ein keins.
Elli, so heißt die Kleine, ist ein Androide, ein Roboter. Elli gehört einem Mann, für den sie die Rolle von dessen verschwundener Tochter übernommen hat.
Ihr Besitzer, den sie „Papa“ nennt, hat sie mit Erinnerungen an sein verlorenes Kind gefüttert. Für ihn wiederholt sie Sätze, die dessen Tochter gesagt hat oder gesagt haben könnte. „The Trouble With Being Born“ nannte Sandra Wollner, geboren 1983 in Leoben, ihr geisterhaftes, trefflich stilsicheres Langfilmdebüt. Seit seinem Erscheinen auf der Berlinale steht es im Preisregen und gewann auch eine ROMY für besten Kinofilm.
Schon in Wollners exquisitem Kurzspielfilm „Das unmögliche Bild“ (2016) ist der Motor der Geschichte die Suche nach Erinnerungen und deren Bilder. In „The Trouble With Being Born“ gesellen sich Schuld, Trauer und Tabubruch hinzu.
Der Vater (Dominik Warta) spielt mit seinem Roboterkind (Lena Watson, ein Pseudonym) zärtliche Vater-Tochter-Szenen durch, planscht im Pool und macht verführerische Schnappschüsse. Zudem ist der Androide auf Trostsuche gepolt, weint in der Nacht und bittet den Papa zu sich ins Bett. „Die Mama hätte das nie erlaubt“, erzählt uns der Roboter mit unschuldiger Kinderstimme aus dem Off. Tatsächlich entpuppt sich die Beziehung zwischen dem Mann, der sich nach seiner verlorenen Tochter sehnt, und seinem Androiden als inzestuös.
Trauer und Tabubruch gehen eine irritierende Verbindung ein: „ Es vermischen sich hier zwei eigentlich unvermischbare Gefühlszustände“, erläuterte Sandra Wollner im KURIER-Gespräch das Set-up ihrer Geschichte, die sie mit Co-Autor Roderick Warich geschrieben hat: „Nichtsdestotrotz können diese beiden Gefühle ja nebeneinander existieren. Auslebbar sind sie in einem virtuellen Raum. Diese Tatsache stellt unser ganzes moralisches System auf die Probe: Kann man einer Maschine Gewalt antun, wenn sie es nicht als solche empfindet? Das ist eine existenzielle Frage.“
Tatsächlich macht es für den Roboter keinen Unterschied, für welche Situation er programmiert wird. Locker wechselt er seine Identität und übernimmt eine andere Erinnerungslast: Die einer alten Frau – kongenial gespielt von Veteranin Ingrid Burkhard – die den Tod ihres Bruders vor 60 Jahren nicht verkraftet hat.
„The Trouble With Being Born“ ist Science-Fiction, weil in der (nahen) österreichischen Zukunft angesiedelt, gleichzeitig aber auch unbehaglich vertraut. Unterschwelliger Horror intensiviert sich durch ein sublim sparsames, aber bedrohlich wirkendes Sound-Design; und in den konsequent klaren, trotzdem seltsam opaken Bildern von Kameramann Timm Kröger ist die Unheimlichkeit zu Hause.
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