Mit dem Schriftsteller Händl Klaus hat der vor 70 Jahren in Graz Geborene diesem eine Operntrilogie gewidmet. Deren dritter Teil, „Koma“, in der konzertanten Aufführung des Klangforum Wien mit Bas Wiegers am Pult und der Sopranistin Sarah Aristidou, mag einige an den „Notlicht-Skandal“ im Sommer 1972 denken lassen, als die Behörden dem Regisseur Claus Peymann bei der Uraufführung von Thomas Bernhards „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ untersagten, auch die Beleuchtung der Notausgänge auszuschalten.
Heute ist absolute Saalverdunkelung kein Grund für behördliche Einschränkungen. Umso mehr erinnert diese Aufführung von Haas’ Werk an ein unvergleichliches Opernereignis, das der Intendant der Salzburger Festspiele Markus Hinterhäuser 2014 in der nämlichen Position der Wiener Festwochen generierte: Romeo Castelluccis Inszenierung von Glucks „Orfeo ed Euridice“ mit einer echten Wachkomapatientin. Sie stand für die von einem Schlangenbiss aus dem Leben gerissene Euridice. Das Operngeschehen wurde an ihr Krankenbett übertragen, ihre Reaktionen wurden in die Aufführung eingespielt.
Auch bei Haas und Händl Klaus steht eine Wachkomapatientin im Zentrum. Doch hier als Figur. Deren Familie versucht desperat, diese in ihre Welt zurückzurufen. In einer Art Sprechgesang wird an Vergangenes erinnert, Pfleger und Ärztinnen geben Instruktionen, schildern, wie sie den willenlosen Körper der Patientin aktiveren wollen. Man erfährt, dass diese Frau unter einem Steg in einem winterlichen See von ihrer Tochter gefunden wurde. Diese verstummte durch den Anblick der leblosen Mutter. Es bleibt offen, ob diese Frau freiwillig aus dem Leben scheiden wollte und ob sie in dieses jemals wieder zurückkehren kann.
Haas geht es aber nicht primär um diese Antworten. Er vertont Zustände und Emotionen. Die Patientin wird durch eine Stimme verkörpert. Vom Orgelbalkon aus mischt Sarah Aristidou ihren ausdrucksstarken Sopran wie aus einer anderen Welt unter die Instrumente. Nie wird klar, ob ihre Figur auf etwas reagiert oder auf sich aufmerksam machen will. Haas lässt den Schmerz der Hinterbliebenen und auch eine Beklemmung spüren, ganz so als ob man aus einer Welt ausbrechen will, aber das nicht kann.
Phänomenal genau agiert das Solisten-Ensemble Pia Davila, Daniel Gloger, Peter Schöne, Susanne Gritschneder, Henriette Gödde, Benjamin Chamandy, Raphael Sigling. Bas Wiegers lässt mit dem Klangforum feinste Nuancen hören. Johannes Piirto vermittelt am Klavier so etwas wie Trost. Ovationen!
Kommentare