In Salzburg verschmolzen Töne und Worte in eins

von Helmut Christian Mayer
„Prima la musica, dopo le parole!“ – oder vielleicht doch umgekehrt? Von diesem ewigen, akademischen Wettstreit über die Rangordnung der Künste – Text oder Musik, was ist wichtiger – handelt „Capriccio“ von Richard Strauss (uraufgeführt 1942 in München). Ein Problem, das so alt ist wie die Gattung Oper selbst.
In seiner letzten Oper, dessen Libretto von Clemens Krauss und dem Komponisten selbst stammt, werden sie symbolisiert durch den ernsthaften Dichter Olivier und dem leidenschaftlichen Komponisten Flamand, die beide verliebt um die Gunst der kunstbegeisterten Gräfin Madeleine buhlen.
Die Handlung spielt in adligen Kreisen zu absolutistischer Zeit in Paris. Als Flamand das Sonett von Olivier vertont, ist die Umworbene gerührt. Sobald sie später für sich allein das Gedicht rekapituliert, indem sie die Melodie Flamands dazu singt, kommen ihr Text und Musik wie eine unzertrennliche Einheit vor. Es zeigt sich: Nur gemeinsam können Wort und Ton – Olivier und Flamand – die Gräfin erobern.
Ohneeinander können die beiden Herren ihrer Muse nicht nahekommen, miteinander aber ihr Herz gewinnen. Es gibt einen symbolträchtigen Liebeskonflikt: Wer verdient den Vorzug – Flamand oder Olivier? Die Gräfin lässt offen, für wen sie sich entscheidet. Am Schluss bleibt alles in der Schwebe.

Schwebend
Man ist beglückt, das Musikdrama in einer so stimmungsvollen Symbiose von Gesang und Musik zu erfahren, wie sie jetzt konzertant am offiziellen Eröffnungstag bei den Salzburger Festspielen im vollen Großen Festspielhaus zu erleben ist (weitere Termine: 31. 7. und 4. 8.)
Am Pult ein ausgesprochener Experte in Sachen Richard Strauss: Christian Thielemann, der die glänzend disponierten Wiener Philharmoniker kammermusikalisch transparent, mit größter Sensibilität und Schattierungen, Präzision, Liebe zum Detail und viele Spannungsbögen erzeugend leitet und besonders die „Mondlichtmusik“ herrlich aufblühen und zum Ereignis werden lässt.
Zudem steht ihm ein ideales, exquisites Sängerensemble zur Verfügung: Elsa Dreisig singt die Gräfin Madeleine mit innigem, silbrigem Sopran und wunderbarem Legato. Bo Skovhus ist ein kerniger, witziger, affektierter Graf. Sebastian Kohlhepp ist der hinreißend schwärmerische und höhensichere Musiker Flamand, Konstantin Krimmel der Dichter Olivier mit schönem, weichem Timbre.
Mika Kares gibt den Theaterdirektor La Roche beeindruckend und stimmgewaltig, Ève-Maud Hubeaux ist eine großartige Schauspielerin Clairon. Jörg Schneider singt den Monsieur Taupe mit hellem Tenor. Köstlich witzig: Tuuli Takala und Josh Lovell wunderbar als italienisches Sängerpaar. Riesiger Jubel!
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