Zu sehen ist das aber nur in Ansätzen, obwohl Teste gleich drei Salomes einsetzt. Eine singende, eine jugendliche (exzellent in den Videos: Anna Chesnova) und eine kleine. Doch der Mehrfacheffekt erzielt wenig Wirkung, zumal Teste sich sonst in Behübschungen ergeht. Herodias raucht im Abendkleid Zigaretten, Herodes ist ein in Smoking gewandter, lüsterner Partygastgeber, Soldat Narraboth hat eine Uniform an und begeht einen ritualisierten Selbstmord.
Die Nazarener und die Juden sind Partygäste, die im eher biederen Smalltalk miteinander verbunden sind, und Salome erstrahlt im weißen (Kostüme: Marie La Rocca) Kleid. Nur Jochanaan wirkt in einem blauen Arbeiteroutfit wie ein Fremdkörper, der er in dieser gelackten Tischgesellschaft ja auch ist.
Das alles ist hübsch anzusehen und riecht auch noch gut. Denn Starparfümeur Francis Kurkdjian hat eigens für den (unpeinlichen, weil kaum existenten) Schleiertanz einen Duft kreiert, der in der Oper versprüht wird. Ein Hauch von Moschus! Soll sein. Mit dieser Inszenierung kann die Staatsoper leben. Das tut nicht weh, bleibt aber auch etwas beliebig an der Oberfläche. Die Emotionen kochen auf Sparflamme.
Anders die musikalische Seite. Denn hier ist vor allem Dirigent Philippe Jordan – für den scheidenden Musikdirektor gab es demonstrativ Blumen – ein Meister der Klangdramaturgie. Stets sängerfreundlich, mit bewussten Anklängen an Richard Wagner, aber auch mit immenser Dramatik lotet er mit dem exzellenten Orchester die Partitur aus; da sind unendlich viele Klangvaleurs zu hören und zu erleben. Die Wiener haben Strauss einfach in ihrer DNA.
Und die Interpreten? Die schwedische Sopranistin Malin Byström gibt eine sichere, anfangs vokal sehr verhaltene, zum Sprechgesang neigende Salome, die sich Zug um Zug steigert. Diese Prinzessin ist auch regiegemäß kein verführerisches Wesen, sondern eine Rächerin erlittenen Unrechts.
Als ihr einstiger (?) Peiniger Herodes spielt Gerhard Siegel all seine Qualitäten aus. Dieser Tetrarch ist stimmlich wie darstellerisch omnipräsent und changiert perfekt zwischen Machtanspruch und Verzweiflung. An seiner Seite gibt Michaela Schuster eine szenisch leider etwas unterbelichtete, gesanglich tadellose Herodias. Mit Daniel Jenz hat das Haus am Ring wieder einen erstklassigen Narraboth; Patricia Nolz lässt als Page (im Hosenanzug) aufhorchen. Die Nazarener (Clemens Unterreiner und Attila Mokus), die Juden (u. a.: Thomas Ebenstein, Andrea Giovannini, Carlos Osuna, Evgeny Solodovnikov) erfüllen ihre Aufgaben mit Hingabe.
Schade nur, dass der sonst so wunderbare Wolfgang Koch (was für ein Beckmesser in der Premiere von Wagners „Meistersinger von Nürnberg“!) bei der Premiere als Einspringer für den erkrankten Iain Paterson mit der Partie des Jochanaan etwas zu kämpfen hatte. Man konnte förmlich mithören, dass sich der dramatische Bariton hier nicht sonderlich wohl fühlte. Paterson soll übrigens bereits heute, Samstag, wieder übernehmen. Fazit: All die Vorabwarnungen hätte es gar nicht gebraucht.
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