Bei der Premiere von „Die Dubarry“ nach Carl Millöcker und Theo Mackeben gelang das in einem überbordenden Maß. Denn auch zu viele Köche können den Brei letztlich ein bisschen verderben. Doch der Reihe nach: Millöcker hat „Die Dubarry“ unter dem Titel „Gräfin Dubarry“ 1879 im Theater an der Wien zur Uraufführung gebracht; Theo Mackeben erstellte eine Neufassung für das Berlin der 1930-er Jahre.
An der Volksoper ist nun die zweite Fassung zu sehen, die nochmals einer Bearbeitung unterzogen wurde. Und zwar durch Dirigent Kai Tietje und Regisseur Jan Philipp Gloger, die nicht ganz zu Unrecht die Operettenseligkeit hinterfragen.
Denn wer ist denn diese Dubarry überhaupt? Eigentlich ein Mädchen aus armen Verhältnissen mit dem Namen Jeanne Bécu, die sich dem Grafen Dubarry (der agiert allerdings nur berechnend) hingibt, dafür ihre Liebe zu dem mäßig erfolgreichen Maler René Lavallery aufgibt, um schließlich die Mätresse von König Ludwig XV. zu werden. Am Ende jedoch wartet – wie bei dem historischen Vorbild – doch nur die Guillotine. Die Dubarry starb 1793.
Regisseur Jan Philipp Gloger und sein Team setzen daher auf viele Bilder (Christof Hetzer hat auf der sich laufend drehenden Bühne tatsächlich einen Bilderrahmen als Leitmotiv geschaffen) und auf eine Zeitreise. Ausgehend vom Berlin der 30-er Jahre geht es auch kostümmäßig (Sibylle Wallum) zurück ins 18. Jahrhundert.
Eine Mansarde erinnert an Giacomo Puccinis „La Bohème“, ein Nachtklub an Alban Bergs „Lulu“. Und dann ist man nach etwa zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) endlich am Höhepunkt des Abends. Denn hier beginnt die Late-Night-Show, wenn Ludwig XV. in Gestalt des großen Entertainers Harald Schmidt die Dubarry in Gestalt der nicht minder großartigen Annette Dasch (sie kann auch wirklich gut singen und ist ebenso Talkshow-erfahren) zum Interview bittet. Der Schlagabtausch dieser beiden – Dasch war Moderatorin der erfolgreichen Musikshow „Annettes DaschSalon“ – ist fabelhaft. Eine virtuose Talkshow als Karotte für das jüngere Publikum. Ja, das funktioniert bestens, mit aktuellen Bezügen.
Und fällt auch ein bisschen aus dem Rahmen. Auf den Rest der Operette hat Jan Philipp Gloger nämlich weit weniger Augenmerk gelegt, da geht es dann vor allem um Slapstick und Klamotte. Die „Nebenpersonen“ dürfen zwar brav auftreten, aber die gesamte Inszenierung steuert nur auf diesen einen Moment hin und sitzt daher auch ein bisschen zwischen allen Stühlen.
Was will Gloger damit erzählen? Ein Sozialdrama, eine Art Revue (die Schlager und Hits halten sich allerdings in Grenzen) oder nur die Begegnung zweier fabelhafter Künstler? Es erschließt sich nicht und brachte dem Lead-ing-Team zuletzt auch einige Buh-Rufe ein.
Auf der anderen Seite stehen die klassischen Interpreten der Operette, die nicht zwischen nasalem Schönbrunner-Deutsch und Berliner Schnauze changieren müssen. Etwa Juliette Khalil als wunderbar quirlige Margot, die dank des Marquis de Brissac (köstlich: Wolfgang Gratschmaier) zur reichen Frau wird. Lucian Krasznec ist als René ein guter Operettentenor; Marco Di Sapia und Daniel Ohlenschläger führen das übrige Ensemble an. Am Pult des engagierten Orchesters waltet Kai Tietje sicher seines Amtes, Chor und Ballett tragen diesen Neuanfang auf Raten mit.
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