Sängerin Buchegger: "Traditionen gehören uns allen“, nicht nur den Rechten

Sängerin Buchegger: "Traditionen gehören uns allen“, nicht nur den Rechten
Die Starmania-Siegerin will Begriffe wie Vaterland und Tradition nicht nur in rechter Hand wissen und Volksmusik für junge Menschen attraktiv machen.

Es hat noch keine drei Minuten gedauert, das Interview mit Anna Buchegger, da seufzt sie schwer und stößt dann heraus: „Ich habe Angst!“ Der Grund: Das Ergebnis der österreichischen Nationalratswahl.

Soeben hat die in Wien lebende Salzburgerin ihr Debütalbum „Windschatten“ veröffentlicht, das eine wunderbar vielfältige Klanglandschaft bietet, die mühelos Volksmusik und Club-Sounds fusioniert und die raffinierten, atmosphärischen Arrangements mit Jazz- oder Klassik-Elementen ausschmückt.

Die Themen der Buchegger-Songs sind durchwegs sozialkritisch und politisch. Es geht um patriarchale Strukturen, um unbedankte Pflegekräfte (in dem Song „Fisch“), um Künstlerinnen im Kulturbetrieb und in „Vaterland“ um österreichische Traditionen.

Wahl als Rückschritt

„Es sind alles Geschichten, die ich in meinem Umfeld erlebt habe“, sagt sie. „Ich habe das Album gemacht, um das Jodeln und die traditionelle Volksmusik, die meine Leidenschaft sind, ins Heute zu holen. Oft hängt das aber mit rechter Ideologie zusammen, und wir haben die musikalischen Traditionen lange in einem Rahmen gehalten. Es sollte aber auch da eine Weiterentwicklung geben, die ich mitgestalten will. Ich will diese Musik für junge Menschen, emanzipierte Frauen und Leute mit liberalen politischen Ansichten attraktiv machen.“

Jedoch hätten wir mit der Wahl „einen großen Rückschritt gemacht“, sagt sie. „Wir haben eine Partei gewählt, die keine Lösungen in Bezug auf die Pflegereform bietet, die sich klar dazu bekennt, dass sie nicht dafür ist, dass Frauen in Führungspositionen kommen oder sich selbst verwirklichen.“

Sängerin Buchegger: "Traditionen gehören uns allen“, nicht nur den Rechten

Die 25-Jährige, die 2021 die ORF-Castingshow „Starmania“ gewann, greift diese Themen auch deshalb auf, weil sie auf einem Bergbauernhof aufgewachsen ist. Sie lernte mit vier Jahren Hackbrett zu spielen, später klassisches Klavier, zog aber mit 16 in die Stadt Salzburg und dann nach Wien. Der ideologische Unterschied zwischen Stadt und Land prägt sie bis heute.

„Begriffe wie Vaterland und Traditionen werden in der Stadt oft mit Kleinbürgerlichkeit verbunden, und rechte Parteien beanspruchen sie gerne für sich. Aber sie sollten uns allen gehören. Denn sie sind für ein kollektives Bewusstsein sehr wichtig. Wenn ich zum Beispiel an das Aufstellen des Maibaums denke: Kaum einer weiß noch, warum man das macht. Die meisten gehen nur hin, weil man dabei gesellig im Bierzelt sitzt. Oder die Raunächte, mit denen wir versuchen, das Böse zu vertreiben, und uns auf all das Gute besinnen, das wir haben. Hinter Traditionen stecken so schöne Gründe, die uns zusammenbringen könnten.“

Gerade jetzt

Im Song „Vaterland“, der „keine Liebeserklärung“ ist, plädiert Buchegger dafür, sich auch über die dunklen Kapitel der österreichischen Geschichte wieder mehr Gedanken zu machen: „Ich finde, das ist gerade jetzt essenziell, weil es brodelt. Es gibt so viel Ungerechtigkeit, so viel Rassismus und Antisemitismus. Aber wenn uns das nicht direkt betrifft, ist es uns egal.“

Man vergesse vielleicht auch, dass Kolleginnen und Kollegen, Schul- und Studienkameradinnen und -kameraden eventuell „eine Flüchtlingsgeschichte hinter sich haben und von Antisemitismus oder Rassismus betroffen sind.“

Buchegger bricht kurz ab, wirft wieder ein, dass sie es nicht fassen kann, dass 30 Prozent der Österreicher eine Partei gewählt haben, die für Rückschritt ist: „Ich verstehe, dass das Problem der Menschen, die so gewählt haben, die Migration ist. Ich verstehe auch, dass es einfach ist, viele Probleme nur auf die Migration zu projizieren“, sagt sie. Und: „Okay, ich bin ja auch nicht zufrieden mit der Migrationspolitik: Ich hätte gerne, dass Menschen, die hierher kommen, es leichter haben, zu arbeiten zu beginnen. Die bürokratischen Hürden, die sie überwinden müssen, sind scheiße. Sie wären für uns alle scheiße, wenn wir migrieren und uns anderswo ein neues Leben aufbauen müssten.“