Schalko: "Bewegen uns am Rand der Barbarei"
Der Dezember gehört in ORFeins den Landkrimis (s. info am Ende). Den Schlusspunkt hinter der erfolgreichen Reihe, die aus Budgetgründen wohl ausgesetzt wird, liefert David Schalko. Der Regisseur, Produzent und Drehbuchautor über seine Wiener "Höhenstraße" und die (politische) Seele der Österreicher.
KURIER: "Höhenstraße" gehört zur Landkrimi-Reihe, hat aber viele fast tragikomische Züge. Wie viel Krimi steckt da drin?
David Schalko: "Höhenstraße" ist ein Krimi, weil er das Genre in all seinen Klischees durchdekliniert, und er steckt voller Zitate. Ein klassischer Krimi ist er aber nicht, weil es keine Kommissare gibt, das Verbrechen vergleichsweise spät passiert und gar nicht so wichtig ist. Das eigentliche Thema des Films ist der Rassismus.
Und auch der zeigt sich nicht in der "gewohnten" Form, obwohl es einen Flüchtling gibt.
Es geht hier um diesen positiven Rassismus. Er zeigt diese Verkrampftheit, die daraus entsteht, dass dieser Mensch Schwarzafrikaner ist und es keinen selbstverständlichen Umgang damit gibt. Gleichzeitig spricht dieser Mensch den ganzen Film über kein Wort. Der Rassismus steckt also in der ganzen Erzählung. Vielleicht sogar im Erzähler. Und im Zuseher. Aber ich will nicht zu viel sagen. Über Krimis darf man ja nicht reden. Auf jeden Fall: Der Weg in die Hölle ist gepflastert mit guten Absichten. Es zeigt sich, wie der Österreicher so tickt, die provinzielle Kleinbürgerlichkeit, und dass sich hinter dem lieben, netten Lächeln etwas anderes verbirgt.
Ein urösterreichisches Thema.
Es ist das ein Bestandteil der österreichischen Kulturmechanik. Die unabsichtliche Bösartigkeit gehört zur österreichischen Identität dazu. Der Österreicher hat ein schlampiges Verhältnis zu seiner Seele.
Sie verstehen sich als Schreiber, als Autor. Nervt Sie das Thema nicht schon, der "Österreicher" mit der offenbar beschränkten historischen Lernfähigkeit?
Den größten Fehler, den man in dem Zusammenhang begehen kann, ist Überheblichkeit. Überheblichkeit gegenüber jenen Menschen, die beispielsweise aus irgendeinem Grund FPÖ wählen. Da gibt es eine Masse der Enttäuschten, die ihre Enttäuschung in die Politik kanalisieren. Aus irgendeinem Grund sehen diese in HC Strache oder Norbert Hofer ihren Messias, was das Fragwürdigste daran ist, weil sie genau das nicht sind. Aber da ist diese Enttäuschung, die verwandelt sich in Wut, und das holt die FPÖ ganz geschickt ab. Dass, wenn diese an der Macht ist, sich genau nichts für diese Menschen ändert oder sogar zum Schlechteren, ist eine andere Geschichte. Jedenfalls bringt sie keine messianische Erlösung. Das muss man den Menschen vor Augen führen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass das Argumentieren oft nichts mehr hilft, weil es sich um Emotionen handelt. Es ist demnach weniger ein Thema für Politologen als für Psychologen.
Soll man Rassisten nicht mehr sagen, was sie sind?
Das ist der Unterschied zu vor 15, 20 Jahren. Damals haben sich die Leute noch geniert dafür, wenn sie darauf angesprochen wurden, obwohl sie es ja eigentlich waren. Heute ist es etwas, worauf man offenbar stolz ist, weil man diese Verhöhnungsästhetik der letzten zehn Jahren so sehr inhaliert hat. Ich halte das für gefährlich. Denn es fallen gewisse Anstandsfilter weg, die einen Teil unserer zivilisierten Gesellschaft ausmachen. Wir bewegen uns damit am Rande der Barbarei.
Sie exponieren sich und werden dafür heftig angefeindet.
Wie gehen Sie damit um?
Die Situation, diese Entwicklung schockiert mich zum Teil, weshalb ich mich damit auseinandersetze, zum Teil kann ich sie sogar verstehen. Es ist da eine Verlorenheit einer Masse von Menschen, unabhängig vom Milieu, aus dem sie stammen oder in dem sie leben. Das muss man ernst nehmen, denn man muss wieder in eine Gesellschaft der Empathie zurückfinden. Darüber macht sich die Politik noch zu wenig Gedanken, weil sie elitär geworden ist und die Zusammenhänge immer komplexer werden. Das wollen die Leute nicht. Sie machen dabei nur den Fehler, für alles, auch für das, was in ihrem Leben schiefläuft, die Politik verantwortlich zu machen. Es ist wie bei einer Verwechslungskomödie, nur gibt es hier wenig zum Lachen.
Dann lieber "Höhenstraße".
Die Kunst hat nur bescheidene Mittel, es ist die Empathie, weil man etwas erzählt, was die Leute sehen, lebendig ist, etwas, das auch ein Teil der gelebten Wahrheit ist und dann im besten Fall etwas mit den Menschen macht. Aber es ersetzt nicht Politik. Das kann auch nicht der Anspruch sein.
Ihr neues Projekt ist "M – eine Stadt sucht einen Mörder"?
Ich arbeite gemeinsam mit meiner Frau Evi Romen, sie ist Editorin und Drehbuchautorin, an einer Adaption. Das soll nicht einfach ein Remake des Fritz-Lang-Films sein. Es geht bei "M" um die sanfte Etablierung von Faschismus und was das, die Vermobbung, für eine Stadt bedeutet. "M" entstand 1931/’32, deshalb macht dieses Remake und dieser Vergleich zu heute Sinn und es ist das, was es interessant macht. Mehr will ich dazu noch nicht sagen.
Wann kommt wieder ein Roman?
Es gibt einen Roman, an dem schreibe ich derzeit. Er wird bei Kiepenheuer & Witsch im übernächsten Jahr erscheinen. Ich will aber noch nichts erzählen, weil es dafür zu früh ist.
Die neuen Landkrimis im ORF
Zum Abschluss der ersten Staffel zeigt der ORF Landkrimis aus Tirol, "Sommernachtsmord" (8. 12.), Salzburg ("Drachenjungfrau",15. 12.) und Südtirol ("Endabrechnung", 22. 12.). David Schalko beschließt die Staffel mit "Höhenstraße" (29. 12.). Er nennt es ein "Zwischenwerk" nach den Serien "Braunschlag" und "Altes Geld", die zuvor sechs Jahre in Anspruch genommen haben.
Kommentare